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Im Rausch der Freiheit

Im Rausch der Freiheit

Titel: Im Rausch der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Auswärtiger hinzugezogen wurde, um etwas Spezielles zu erledigen, lockte ein fettes Honorar. Er hatte vor dieser Sache schon einmal einen Job angenommen – und ihn direkt an dem Tag ausgeführt, nachdem er mit Salvatore zum Essen im Fronton gewesen war. Die Sache lief gut damals. Mit Sicherheit der Grund dafür, weswegen man ihm diesen anderen Job anvertraute.
    Aber letzte Woche ging die Sache gründlich in die Hose. Am Plan war nichts auszusetzen gewesen, aber selbst der beste Plan kann durch ein unvorhergesehenes Ereignis durchkreuzt werden. Es war dunkel. Es wehte ein starker böiger Wind, ideal, um das Geräusch der Schüsse zu verschlucken. Die Straße war menschenleer gewesen. Er trat mit tief ins Gesicht gezogenem Hut direkt vor seiner Zielperson aus dem Hauseingang und zog die Waffe. Mach’s aus kürzester Entfernung. Mach es so schnell, dass dem Opfer nicht einmal Zeit bleibt, sich zu wundern.
    Wer konnte schon damit rechnen, dass genau in dem Moment eine von einem Dach heruntergewehte Schieferplatte vor seinen Füßen zerschellte, sodass er erschrocken nach oben schaute?
    Und dann hatte der andere schneller geschaltet als er. Anstatt wegzulaufen, warf er sich mit voller Wucht gegen ihn, riss ihn um und trat ihm die Pistole aus der Hand. Dann war er losgerannt, um die nächste Ecke geflitzt und gab ein paar Schüsse ab, die ihn nur knapp verfehlten. Inzwischen hatte Paolo seine Waffe wieder an sich gebracht, das Feuer erwidert und sich an die Verfolgung gemacht. Aber sein vermeintliches Opfer blieb verschwunden. Vor allem kannte er jetzt Paolos Gesicht.
    Also gab es in Brooklyn ein paar Leute, die sehr, sehr wütend auf ihn waren.
    Die Frage war: Was tun? Am besten wahrscheinlich die Stadt verlassen. Aber wo sollte er hin? Vielleicht hatte ja Madden eine Idee.
    Die Band spielte gerade Gin House Blues. Eine Henderson-Komposition. Ein paar Jahre zuvor hatte ein junger Kornettist namens Louis Armstrong kurzzeitig für eine Bereicherung des Henderson-Klangs gesorgt. Er war dann leider nach Chicago gegangen, aber vielleicht würde er zurückkommen. Paolo wusste, dass Madden sich ebenfalls für einen anderen vielversprechenden Bandleader interessierte, Duke Ellington, der drüben im Kentucky Club auftrat. Das war das Bewundernswerte an Madden. Er war ständig auf der Suche nach etwas Neuem.
    Paolo warf einen Blick auf seine Uhr. Es war fast zwei Uhr nachts. Unwahrscheinlich, dass Madden jetzt noch auftauchte, doch er beschloss, noch ein bisschen zu warten.
    Seine Gedanken kehrten zu dem Gespräch mit Charlie und dessen Freund zurück. Seltsamer Zufall, dass der Freund Anna gekannt hatte! Er erinnerte sich an diese entsetzlichen Tage nach ihrem Tod. An seine Wut, an diese Mischung aus Zorn und Ohnmacht. Es war tatsächlich dieses Gefühl gewesen, das ihn auf diesen Weg geführt hatte. Auf diesen steinigen, gefährlichen Pfad, auf dem er jetzt ins Bodenlose abzustürzen drohte. Er hatte Anna geliebt. Ja, nicht nur seine Schwester, seine ganze Familie. Wenn sie nur nicht solche Verlierer gewesen wären! Er zuckte die Achseln. Vielleicht würde auch er schon bald zu den Verlierern zählen.
    Er winkte nach der Rechnung und bezahlte. Hatte keinen Wert, noch länger zu warten.
    Als er auf die Straße trat, knöpfte er sich den Mantel bis obenhin zu. Die Temperatur war gefallen, und es hatte angefangen zu schneien. Auf dem Bürgersteig lag schon eine dünne Schneeschicht. Er schaute sich aufmerksam um, konnte nur ein paar Schwarze sehen. Es waren Weiße, vor denen er sich in Acht nehmen musste. Er zog die Hutkrempe tief über seine Augen, zum Teil um sein Gesicht zu verbergen, vor allem aber zum Schutz gegen den Schnee, den der Wind die Straße entlangpeitschte.
    Vorsichtshalber war er vor drei Tagen umgezogen, in ein Haus in der Nähe der Eighth Avenue, wo man ihn nicht kannte. Er würde zur U-Bahn laufen, sich vergewissern, dass ihm niemand folgte, und dann auf Umwegen nach Hause fahren. Er bog in die Lenox Avenue ein.
    Teufel, war das kalt!
    *
    Salvatore sah Teresa den ganzen Oktober lang nicht. In dem Haus, das er bewohnte, gab es kein Telefon, aber in der Nähe war ein Münzfernsprecher, und Teresas Eltern besaßen einen Fernsprechanschluss. Er ließ zehn Tage verstreichen, bevor er anrief und nach Teresa fragte. Er horchte aufmerksam auf den Ton ihrer Stimme. Sie klang so, als freue sie sich, von ihm zu hören.
    »Meine Eltern möchten sich noch einmal für die Zeichnung bedanken«, sagte sie. »Richten Sie das

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