Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Rausch der Freiheit

Im Rausch der Freiheit

Titel: Im Rausch der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
Vom Netzwerk:
seinen kleinen Bruder vor. Mehr noch, dieser kleine Bruder hatte ihn außerdem unter Mithilfe seines Onkels lächerlich gemacht.
    Es dauerte nicht lang, bis auch der Rest der Wahrheit herauskam. Während Salvatore die zwei Mädchen zum Bahnhof begleitete, erzählte Onkel Luigi Angelo schon von Teresas Gefühlen. Und dann arbeitete Angelo drei Tage lang Seite an Seite mit ihm, ohne ein Wort zu sagen. Er war verraten worden.
    »Du musst das verstehen«, erklärte Onkel Luigi später. »Teresa hat mir zwar ihre Gefühle gestanden, aber Angelo nicht. Ich war es, der mit ihm reden musste, um herauszufinden, ob er ihre Liebe möglicherweise erwidert. Und das tut er. Er liebt sie, ohne Frage, aber in seinen Augen gehört sie dir. Er ist verzweifelt, sieht keinen Ausweg, weiß nicht, was er tun soll. Ich war es, der ihm verboten hat, etwas zu sagen, bevor ich mit dir gesprochen habe.«
    Salvatore hörte sich diese Erklärungen an, aber sie drangen nicht in sein Herz, das voller Bitterkeit war. Angelo hatte ihm die Braut weggeschnappt und ihn belogen. Tagelang konnte er den Anblick seines Bruders nur mit Mühe ertragen. Auf der Baustelle schlossen sie sich unterschiedlichen Kolonnen an, sodass sie sich aus dem Weg gingen. Sie hielten sich so wenig wie möglich in der Wohnung auf, und wenn sie einmal beide da waren, sprach Salvatore kein Wort mit Angelo. Nach ein paar Tagen fragte ihn Angelo: »Soll ich ausziehen?« Aber Salvatore zuckte nur mit den Schultern.
    »Wozu? Du bist doch sowieso bald weg.«
    Am nächsten Wochenende verschwand Angelo. Es war klar, dass er nach Long Island gefahren war. Salvatore blieb in der Stadt. Als Angelo zurückkehrte, sagte er nichts, aber tags darauf gab Onkel Luigi Salvatore einen Brief von Teresa, den Angelo mitgebracht haben musste. Der Brief war voll von Beteuerungen ihrer Zuneigung. Teresa hoffte, er könne ihr verzeihen, sie ein wenig verstehen, sie könnten Freunde bleiben. Um ein Haar hätte er ihn zerrissen, doch am Ende legte er ihn angewidert in eine Schublade.
    »Vielleicht gehe ich nach Kalifornien«, sagte er zu Onkel Luigi, der traurig erwiderte: »Ich werde einsam sein.«
    Sein Onkel sagte ihm allerdings noch etwas anderes, von dem er hoffte, dass es einen gewissen Trost darstellte.
    »Begreif doch, Salvatore – außer mir und den unmittelbar Beteiligten weiß niemand, dass du in Teresa verliebt warst. Es ist nie ein Wort darüber gefallen, nichts ist passiert. Was man weiß, ist lediglich: Teresa hat sich mit zwei Brüdern angefreundet, und jetzt heiratet sie einen von beiden. Du hast keine brutta figura gemacht.«
    In diesem Moment erschien ihm das wie ein äußerst schwacher Trost. Aber als die Wochen vergingen, war es immerhin etwas.
    Was ihn ebenfalls erstaunte, war, wie schnell Teresas Familie Angelo anzunehmen schien. Es wurde beschlossen, dass er unverzüglich nach Long Island zog, wo sie ihm einen kleinen Malerbetrieb einrichten wollten. Zusätzlich würde er für örtliche Geschäfte Schilder entwerfen und andere Dekorationsarbeiten erledigen. Eines war sicher: Bei den weit gestreuten Beziehungen der Familie würde er mehr als genug Aufträge erhalten, um den Einstieg in die Selbstständigkeit zu schaffen.
    »Ich dachte, er hält nichts von Auftragsarbeiten«, sagte er zu Onkel Luigi.
    »Ah, aber jetzt heiratet er«, entgegnete sein Onkel. »Während er krank war, hat er mir erzählt, wurde ihm allmählich klar, dass er sich nicht darauf verlassen dürfe, sich auf die Dauer seinen Lebensunterhalt als Maurer verdienen zu können. Und außerdem machten ihm diese Auftragsarbeiten, die er erledigte, mehr Spaß als erwartet.« Onkel Luigi vollführte eine philosophische Geste. »Man muss sich arrangieren. Ein Mann muss bereit sein, das Notwendige zu tun.«
    Was Salvatore vielleicht am meisten verblüffte, war die Selbstverständlichkeit, mit der Angelo die Führung in der Beziehung zu übernehmen schien. Er wohnte erst seit zwei Wochen auf Long Island, als er zurückkehrte, um ein paar Dinge aus der Wohnung zu holen. Diesmal brachte es Salvatore über sich, mit seinem Bruder zu sprechen. Doch als er zu bedenken gab, dass Teresa vielleicht lieber in die Stadt ziehen würde, lächelte Angelo bloß und schüttelte den Kopf.
    »Nein«, sagte er ruhig, »das bildet sie sich nur ein. Ich werde sie schon dazu bringen, auf Long Island zu bleiben.«
    Salvatore konnte kaum glauben, dass es sein kleiner Bruder war, der so redete.
    Es brauchte seine Zeit, aber allmählich begann er,

Weitere Kostenlose Bücher