Im Rausch der Freiheit
die von Langley aus gestartet waren, bei dem Versuch ums Leben gekommen. Doch Onkel Luigi hatte gehört, dass bald zwei französische Piloten von Paris aus das Wagnis unternehmen würden.
»Jetzt, wo du Geld hast«, sagte Angelo lächelnd zu Salvatore, »hast du hier eine Chance, dir noch mehr dazuzuverdienen!«
»Das Dach eines Wolkenkratzers ist für meinen Geschmack schon hoch genug«, sagte er.
Gegen Ende der Mahlzeit fragte Teresa Onkel Luigi, ob sie ihn kurz unter vier Augen sprechen könne. Sie verriet nicht, worum es ging, aber die beiden setzten sich an einen anderen Tisch und redeten fast eine Viertelstunde lang miteinander. Am Ende stand sie auf und gab Onkel Luigi einen Kuss.
»Es ist schön, mit eurem Onkel ein richtiges Gespräch zu führen«, sagte sie, als sie sich wieder zu den anderen setzte. »Er ist ein sehr weiser Mann.«
Nach dem Essen sagte Teresa, sie müsse wieder nach Haus. Onkel Luigi wollte, dass Angelo noch etwas für ihn erledigte, also begleitete Salvatore die zwei Mädchen allein zum Bahnhof. Als er Teresa zum Abschied küsste, schaute er sie fragend an, aber sie antwortete nur mit einem sanften Lächeln.
»Ich komme bald wieder«, versprach sie.
*
Am Mittwoch hatte Onkel Luigi seinen freien Abend, und es war abgemacht, dass sie zusammen essen würden.
Es war ein schöner Tag, und Salvatore genoss es, hoch oben unter einem strahlend blauen Himmel zu arbeiten. Ein großer Wassertank auf dem Flachdach des Gebäudes sollte mit Backsteinmauern verkleidet werden, die farbenprächtige figürliche Schmuckfelder zieren würden. Die großen Glasurziegel kamen an dem Morgen an, und der Polier zeigte den Brüdern die Muster. Zwei Felder stellten den Gott Merkur dar, doch am eindrucksvollsten war das riesige grüne Rechteck, in dessen Mitte eine leuchtend rote aufgehende Sonne von zwei goldgeflügelten Greifen flankiert wurde. Angelo war davon völlig hingerissen.
Als sie nach der Arbeit heimkehrten, klagte Angelo über Müdigkeit. Salvatore sah ihn besorgt an, aber sein Bruder versicherte ihm, er müsse nur ein wenig ausspannen.
»Wir gehen allein aus«, entschied Onkel Luigi. »Er kann sich ausruhen. Wir kommen nicht spät zurück.«
Sie gingen in ein kleines Steakhaus in der Nähe von Greenwich Village. Es war nicht besonders voll. Sie bestellten beide Lende, und Onkel Luigi wählte einen Rotwein aus. Während sie ihre Steaks verzehrten, erzählte Onkel Luigi die letzten Neuigkeiten über die Flieger.
»Die Franzosen sind am Sonntag in Paris abgeflogen. Man sah sie zuletzt, wie sie von Irland aus den offenen Atlantik ansteuerten. Dann nichts mehr.«
»Sie sind wohl über dem Ozean abgestürzt.«
»Tapfere Männer«, sagte Onkel Luigi. Dann warf er Salvatore einen nachdenklichen Blick zu. »Bist du tapfer, Salvatore?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Salvatore.
»Wahrscheinlich wissen wir das erst, wenn wir auf die Probe gestellt werden.«
Sie bestellten Crème Caramel. Als das Dessert wurde, sah Onkel Luigi Salvatore noch einmal nachdenklich an.
»Sag mir, Salvatore«, fragte er, »liebst du Teresa?«
»Ja«, sagte Salvatore.
»Und glaubst du, dass sie dich auch liebt?«
»Ich bin mir nicht sicher. Ich glaube schon.«
»Nun, sie tut’s. Sie liebt dich, Salvatore. Sie hat es mir selbst gesagt.«
»Das ist gut.«
»Ja. Aber ich habe eine schlechte Nachricht für dich. Möglicherweise kann sie dich nicht heiraten. Deswegen wollte sie mit mir sprechen. Sie ist ganz verzweifelt und weiß nicht, was sie tun soll.«
»Geht es noch immer um ihre Eltern?«
»Nein.«
»Ist sie krank? Ich würde sie pflegen.«
»Nein. Du musst tapfer sein, Salvatore. Sie hat sich verliebt.« Onkel Luigi schwieg kurz. »Es ist sehr schwierig für sie. Es ist eine Liebe, die sie nicht gesucht und die sie völlig überrumpelt hat. Sie wollte dagegen ankämpfen, aber jetzt glaubt sie nicht mehr, dass sie dich guten Gewissens heiraten kann.« Der ältere Mann seufzte. »Sie ist eine aufrichtige Frau, Salvatore, die dir keinen Kummer bereiten möchte. Ich bewundere sie.«
Salvatore blieb eine Weile stumm. »Das erklärt alles«, sagte er leise. Er starrte auf den Tisch. »Und wer ist der Glückliche?«, fragte er zuletzt.
»Dein Bruder. Angelo.«
*
Salvatore war verblüfft, wie sich danach die Ereignisse überstürzten. Anfangs war er ein paar Stunden lang wie vor den Kopf geschlagen gewesen. Dann hatte blinde Wut eingesetzt. Er fühlte sich zutiefst verletzt. Die Frau, die er liebte, zog ihm
Weitere Kostenlose Bücher