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Im Rausch der Freiheit

Im Rausch der Freiheit

Titel: Im Rausch der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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»Schauen Sie doch nur auf die Immobilien.«
    Es stimmte, dass der Preis von Häusern trotz des erstaunlichen Booms auf dem Aktienmarkt seit 1925 durchschnittlich eher gefallen war. Aber der Angestellte zuckte nur die Achseln.
    »Immobilien sind eine Sache, Aktienkurse eine andere. Tatsache ist, dass der Aktienindex im Laufe der letzten sechs Jahre um das Fünffache gestiegen ist. Am Dritten dieses Monats stand der Dow-Jones bei dreihunderteinundachtzig. Das ist ein historischer Höchststand!«
    »Aber das ist zum Teil gerade das, was mir Sorgen bereitet«, sagte Onkel Luigi. »Durchschnittlich betragen die Preise von Aktien mehr als das Zweiunddreißigfache ihrer Gewinne.«
    Der Angestellte lächelte, um zu zeigen, dass er vom fundierten Wissen dieses kleinen Italieners beeindruckt war.
    »Wir würden Ihnen darin beipflichten, dass die Gewinnmargen künftig möglicherweise nicht mehr so steil ansteigen werden, doch wir sehen keinen Grund, warum die Kurse einbrechen sollten. Wir glauben, dass ein höheres Plateau erreicht worden ist. Und ich versichere Ihnen, die Investitionen reißen nicht ab.«
    Onkel Luigi nickte nachdenklich. Was der Makler sagte, traf zu. Die Leute schaufelten nach wie vor Geld an die Börse, aber schließlich wurden sie massiv dazu ermutigt. Ein Jahr zuvor hatte dieser gepflegte Mann ihn höflich informiert: »Wir stehen mittlerweile seit vielen Jahren mit Ihnen in geschäftlicher Verbindung, Sir, und Ihre Investitionen stellen eine hervorragende Sicherheit dar. Sollten Sie sich mit dem Gedanken tragen, das Volumen Ihres Portefeuilles zu vergrößern, wäre es uns ein Vergnügen, Ihnen ein entsprechendes Darlehen zur Verfügung zu stellen.« Luigi hatte das Angebot zwar abgelehnt, fragte sich allerdings, wie viel von dem derzeit in Aktien investierten Geld wohl geliehen war. Je größer die Kreditaufnahme, desto mehr musste sich das Ganze zu einer Seifenblase entwickeln.
    »Sie raten mir also, meine Aktien zu behalten?«, fragte er den Makler nach einer Pause.
    »Wir rechnen mit einem baldigen Anstieg der Kurse. Es täte mir unendlich leid, wenn Sie den verpassen würden.« Der Sachbearbeiter lächelte erneut. »Ich versichere Ihnen, ich kaufe selbst.«
    *
    In dieser Nacht traf Rose Master eine Entscheidung. Sie fiel ihr nicht leicht, und sie hatte schon eine ganze Weile darüber nachgedacht. Denn so gescheit ihr Mann und ihr Sohn jeder auf seinem Gebiet auch sein mochten, besaß sie doch, davon war sie überzeugt, den größeren Weitblick.
    Es ging um das Cottage in Newport.
    Ihr Sohn hatte sie diesen Sommer ziemlich verletzt. Während der ganzen Zeit war er nur ein einziges Mal nach Newport gekommen, und auch da hatte ihn sein Vater zweifellos mitschleifen müssen. »Komm wenigstens ein einziges Mal«, hatte er bestimmt gesagt, »um deiner Mutter eine Freude zu bereiten!« Natürlich war er dann, als er tatsächlich kam, der Charme in Person gewesen. Aber das vermochte sie nur geringfügig zu trösten.
    In letzter Zeit machte sie sich ernsthaft Sorgen um ihn. Er war fast dreißig und wohnte noch immer in Greenwich Village in der Downing Street – und warum jemand dort freiwillig wohnte, war ihr vollkommen schleierhaft. Er tat so, als arbeite er für seinen Vater, in Wahrheit saß er an einem Theaterstück. Sie wusste nicht, mit was für einer Sorte Frauen er verkehrte, und wollte es lieber gar nicht wissen. Dem Umfang seiner Taille nach zu urteilen, verschaffte er sich weder in dieser noch in sonst einer Hinsicht ausreichend Bewegung, und außerdem trank er zu viel. Höchste Zeit, dass ihr Sohn sich am Riemen riss. Und ebenso höchste Zeit, dass er heiratete. Was hatte es schließlich für einen Sinn, für die Familie sein Bestes zu tun, wenn es keine nächste Generation gab, die den Namen weiterführte?
    Sie fand, dass sie endlich ihre Meinung sagen sollte. Doch William mahnte sie zur Vorsicht.
    »Ich weiß, dass er dich enttäuscht, aber schimpf nicht mit ihm«, warnte er sie. »Du könntest ihn damit vertreiben.«
    Also deutete sie an diesem Abend, als Charlie endlich einmal zum Essen gekommen war, nur sanft an, er sollte mehr auf seine Gesundheit achten.
    Sie plauderten über dieses und jenes. Charlie erzählte ihr Anekdoten über einige seiner Freunde vom Theater, und sie tat so, als würde sie das amüsant finden. Sie berichtete, dass sie sich mit dem Gedanken trage, das Haus in Newport umzugestalten, und er gab sich Mühe, interessiert zu wirken. Sie diskutierten alle über den

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