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Im Rausch der Freiheit

Im Rausch der Freiheit

Titel: Im Rausch der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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der, an einem Halskettchen hängend, zwischen den Ansätzen ihrer Brüste ruhte. Doch als er jetzt durch die Gläser dieser Brille schaute, sah er, dass ihre Augen nicht nur ernsthaft, sondern auch von einem magischen Braun und mit zauberhaften Lichtern übersprenkelt waren.
    Sarah Adler war vierundzwanzig. Und gerade in diesem Moment, als diese braunen Augen Charlie Master fixierten, der ihr gegenüber an einem Tisch des eleganten St. Regis saß, fragte sie sich, wie alt er sein mochte. Vielleicht fünfzig? Auf jeden Fall doppelt so alt wie sie. Aber er schien noch sehr gut in Form zu sein.
    Und man musste schon zugeben, dass ältere Männer viel interessanter waren.
    Das St. Regis, an Fifth und 55th, war nicht lediglich ein Hotel, sondern ein Palast. Er hatte sie zunächst zu einem Drink in der holzgetäfelten Bar eingeladen, die durch Maxfield Parrishs riesiges, leuchtend farbiges Wandgemälde Old King Cole insgesamt einen warmen, satten Glanz erhielt. Das hatte ihr gut gefallen. Und dann waren sie in den säulengeschmückten Speisesaal gegangen. Mr Charles Master wusste zweifellos, wie man ein Mädchen behandelt. Und reden konnte er auch gut.
    Es war erst drei Wochen her, dass sie ihre Stelle in der Galerie angetreten hatte – wo sie allerdings nur ein Taschengeld verdiente. Deswegen konnte sie, als Mr Master an dem Morgen mit seiner unglaublichen Fotosammlung hereingekommen war und der Galeriebesitzer sie anwies, sie möge sich um die Sache kümmern, ihr Glück nicht fassen. Und jetzt saßen sie im St. Regis, und sie genoss eine der interessantesten Unterhaltungen, die sie je geführt hatte.
    Dieser Mann schien Gott und die Welt zu kennen. Er war mit Eugene O’Neill und allen Theaterleuten der zwanziger Jahre befreundet gewesen und hatte selbst Theaterstücke geschrieben. In Harlem hatte er die Jazzgrößen gehört, bevor sie berühmt geworden waren: er erinnerte sich an Charlie Chaplin, als dieser noch auf der Bühne aufgetreten war. Und jetzt hatte er ihr gerade etwas noch Erstaunlicheres gesagt.
    »Sie kennen Ernest Hemingway?« Sie verehrte Hemingway. »Wo haben Sie ihn kennengelernt? In Paris?«
    »In Spanien.«
    »Sie meinen, Sie waren im Spanischen Bürgerkrieg dabei?«
    Sarah war erst sieben gewesen, als der Spanische Bürgerkrieg ausbrach, aber sie hatte in der Schule davon gehört – und zu Hause. Bei den Adlers in Brooklyn waren endlose Diskussionen darüber geführt worden. Natürlich nahm niemand Partei für die Seite, die schließlich gewann. Der faschistische Generalissimus Franco mit seinen autoritären Katholiken und Monarchisten stand für alles, was die Adlers hassten. »Er ist keinen Strich besser als Hitler«, sagte ihr Vater immer. Und ihre Mutter Esther, die aus einer Familie von Liberalen und Gewerkschaftlern stammte, wäre bereit gewesen, sich den Internationalen Brigaden anzuschließen und selbst in den Kampf zu ziehen! Alle waren für die Linke.
    Außer Onkel Herman. Der Bruder ihres Vaters war ein stämmiger Mann, der sich schmeichelte, ein Kenner europäischer Angelegenheiten zu sein. Und worum es auch ging, er wusste es immer besser. »Hört zu«, erklärte er, »Franco ist ein altmodischer Autoritärer. Er ist ein Scheißkerl, okay? Aber er ist kein Nazi.«
    Da fiel ihre Mutter regelmäßig über ihn her.
    »Und seine katholischen Monarchisten? Hast du eine Ahnung, was die spanische Inquisition den Juden angetan hat?«
    Und schon war eine erbitterte Diskussion in vollem Gange.
    »Du bildest dir ein, die Leute, die gegen Franco kämpfen, seien amerikanische Liberale wie du? Ich will dir eines sagen, Esther, die Hälfte dieser Leute sind Trotzkisten und Anarchisten. Okay? Sie möchten aus dem Land ein zweites Stalin-Russland machen. Hältst du das wirklich für eine gute Idee? Nein!«, brüllte Onkel Herman dann, wenn sein Bruder ihn zu unterbrechen versuchte. »Ich will wissen, ob sie das wirklich für eine so großartige Idee hält!«
    »Dein Onkel widerspricht einfach gern«, erklärte ihre Mutter der kleinen Sarah anschließend. »Er weiß nicht, wovon er redet.«
    Wenn er jedoch mit Sarah allein war, schenkte Onkel Herman ihr Süßigkeiten und erzählte ihr mit der sanftesten Stimme Geschichten, weswegen sie wusste, dass er lieb und gütig war. Es war einfach nur so, dass er gern widersprach.
    Leider waren das die einzigen Erinnerungen, die Sarah an ihren Onkel Herman hatte. Der Spanische Bürgerkrieg war noch in vollem Gange, als er nach Europa ging – allerdings nicht, um

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