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Im Rausch der Freiheit

Im Rausch der Freiheit

Titel: Im Rausch der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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meiner Urgroßmutter einen Heiratsantrag. Irgendwo unten auf der Straße vermutlich, obwohl das heutzutage eher gefährlich wäre.«
    »Tödlich. Sind sie glücklich geworden?«
    »Ja. Soweit ich weiß, war es eine sehr gute Ehe.«
    »Das ist schön.«
    Unvermittelt ließ sich Charlie auf ein Knie nieder.
    »Sarah, willst du mich heiraten?«
    Sie lachte. »Schon verstanden. Das muss sehr romantisch gewesen sein.«
    Doch Charlie stand nicht wieder auf.
    »Sarah Adler, willst du mich heiraten?«
    Ein paar Leute kamen die Treppe herauf. Sie schauten Charlie neugierig an. Dann fingen sie an, miteinander zu tuscheln.
    »Ist das dein Ernst, Charlie?«
    »Noch nie in meinem Leben ist mir etwas so ernst gewesen. Ich liebe dich, Sarah. Ich möchte den Rest meines Lebens mit dir verbringen.«
    »Charlie, ich hatte keine Ahnung …« Sie verstummte. »Darf ich noch ein bisschen darüber nachdenken?«
    »So lange du willst.«
    »Charlie, ich … Du hast mich wirklich überrumpelt. Ich fühle mich unglaublich geschmeichelt. Bist du dir auch wirklich sicher?« Sie lächelte. »Ich glaube, du solltest jetzt besser aufstehen, du verursachst allmählich einen Volksauflauf.« Sie hatte recht. Inzwischen schauten ihnen ein halbes Dutzend Leute zu, und einige lachten schon. Als er aufstand, küsste sie ihn. »Das werde ich mir wirklich ernsthaft durch den Kopf gehen lassen müssen.«
    *
    Rose Master war zutiefst erstaunt, als George, der Portier, zwei Tage später über das Haustelefon anrief, um ihr – mit einer Stimme, die zu ver stehen gab, dass er die entsprechende Person vorerst draußen auf dem Bürgersteig warten ließ – mitzuteilen, eine gewisse Miss Adler wünsche sie zu sprechen.
    »Schicken Sie sie herauf«, sagte Rose. Sie machte Sarah selbst die Tür auf, und als sie im Wohnzimmer saßen, fragte Sarah sie zu ihrer noch größeren Verblüffung, ob sie sie im Vertrauen sprechen dürfe. »Natürlich dürfen Sie«, sagte sie zurückhaltend. »Wenn Sie möchten …«
    »Hat Charlie zu Ihnen über mich gesprochen?«, fragte das Mädchen.
    »Nein.« Das hatte er nicht.
    »Er möchte mich heiraten.«
    »Oh. Ich verstehe.«
    »Deswegen wollte ich Sie fragen, was Sie davon halten.«
    »Sie wollen wissen, was ich davon halte?«
    »Deswegen bin ich hier.«
    Rose starrte sie an. Dann nickte sie nachdenklich. »Nun, meine Liebe, das ist ganz reizend von Ihnen.« Sie schwieg kurz. »Sie sind sehr gescheit.« Sie saß auf einem Stuhl, Sarah auf dem Sofa. Sie warf einen Blick zum Fenster, das das frühabendliche Licht aus dem Park in einen sanften Schimmer tauchte.
    »Sie möchten bestimmt meine ehrliche Meinung wissen.«
    »Bitte.«
    »Nun, ich halte das für keine gute Idee, wenngleich ich durchaus verstehen kann, warum er in Sie verliebt ist.«
    »In ein jüdisches Mädchen mit Brille?«
    »Oh ja. Sie sind intelligent und attraktiv – ich würde sagen, er hätte gleich beim ersten Mal jemanden wie Sie heiraten sollen. Natürlich wäre ich entsetzt gewesen!« Sie zuckte die Achseln. »Nun, Sie sagten, Sie wollten meine ehrliche Meinung hören.«
    »So ist es.«
    »Ich glaube einfach, dass es inzwischen zu spät ist. Mögen Sie ihn?«
    »Ja. Ich habe wirklich ernsthaft nachgedacht. Ich liebe ihn.«
    »Glücklicher Charlie. Was mögen Sie am meisten an ihm?«
    »Da sind viele Dinge. Ich glaube, er ist der interessanteste Mann, den ich je kennengelernt habe.«
    »Das liegt nur daran, dass er älter ist, meine Liebe. Ältere Männer wirken einfach interessanter, weil sie alles Mögliche wissen. Aber in Wirklichkeit sind sie vielleicht gar nicht so interessant.«
    »Sie halten ihn nicht für interessant? Sie sind doch seine Mutter!«
    Rose seufzte. »Ich liebe meinen Sohn, meine Liebe, und ich wünsche mir das Beste für ihn. Aber ich bin zu alt, um die Augen vor der Wirklichkeit zu verschließen. Wissen Sie, was das Problem mit Charlie ist? Er ist intelligent, er ist vielleicht sogar talentiert, vor allem jedoch ist er altes Geld. Nicht dass er welches hätte, wohlgemerkt. Aber er gehört zu dieser Schicht. Das ist vermutlich meine Schuld.« Sie seufzte noch einmal. »Ich meine, das schien immer eine so große Rolle zu spielen …«
    »Jetzt nicht mehr?«
    »Ich werde alt. Es ist seltsam, wie sich die eigene Lebensanschauung ändert, wenn man älter wird. Viele Dinge« – sie machte eine Geste mit beiden Händen – »verlieren an Bedeutung.«
    »Ich habe vor Charlie noch nie etwas mit altem Geld zu tun gehabt, Mrs Master. Ich liebe

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