Im Rausch der Freiheit
er aber doch nicht, sonst hätten wir den Gürtel schließlich nicht mehr. Da hat er also Glück gebracht, könnte man sagen.«
»Kann ich ihn mir ansehen?«
Er gab ihn ihr zurück. Sie ging damit zum Tischchen am Fenster und betrachtete ihn aufmerksam. Während sie das tat, dachte Charlie über den Gürtel und dessen Herstellung nach. Wie lange mochte es gedauert haben, ihn anzufertigen? War es ein Liebesdienst oder eine lästige Pflicht? Er stellte sich gern vor, es sei Ersteres gewesen, aber wissen konnte man das natürlich nicht.
»Was immer es bedeuten mag – es ist eine ganz unglaubliche abstrakte Zeichnung!«, sagte Sarah plötzlich »Sehr schlicht, aber kraftvoll.«
»Er gefällt dir?«
»Ich finde ihn umwerfend. Es ist wunderbar, so etwas in der Familie zu haben!«
»Ist es wohl, ja.«
»Es ist ein Kunstwerk«, sagte sie.
Zehn Tage später schenkte sie ihm eine Krawatte. Unnötig zu sagen, dass ihre Wahl perfekt war – dunkelrote Rohseide mit einem zarten Paisleymuster. Diskret, jedoch elegant.
»Ist die in Ordnung?«, fragte sie.
»Sie ist mehr als in Ordnung«, sagte er.
»Wirst du sie tragen?«
»Ganz bestimmt.«
Sie lächelte erfreut. »Ich habe noch etwas anderes für dich«, sagte sie.
»Noch ein Geschenk?«
»Nur etwas, was ich zufällig gesehen habe. Ich kann’s zurückbringen, wenn’s dir nicht gefällt.«
Sie reichte ihm einen in einfaches Papier eingeschlagenen rechteckigen Gegenstand. Es hätte ein Buch sein können, fühlte sich dafür aber zu leicht an. Er öffnete behutsam das Paket. Dann riss er sprachlos die Augen auf.
Es war eine gerahmte Zeichnung von Robert Motherwell.
»Ich dachte, sie könnte sich dort ganz gut machen«, sagte sie und deutete auf eine Stelle an der Wohnzimmerwand. »Wenn sie dir gefällt, heißt das«, fügte sie hinzu.
»Ob sie mir gefällt?« Er starrte noch immer auf die Zeichnung, fast unfähig, ein Wort herauszubringen. Es war ein schlichtes abstraktes Werk, Schwarz auf Weiß, das ihn an eine chinesische Kalligrafie erinnerte. Hinreißend schön.
»Bleib da stehen«, sagte sie, nahm ihm die Zeichnung aus der Hand und hielt sie an der Stelle, auf die sie gezeigt hatte, an die Wand. »Was meinst du?«
Es war mehr als vollkommen. Das ganze Zimmer schien wie umgewandelt.
»Du bist ein Genie«, sagte er.
»Wirklich?«
Ihr Gesicht leuchtete vor Freude.
Was sie die Zeichnung wohl gekostet haben mochte? Er durfte gar nicht daran denken. Selbst, wenn Betty Parsons sie ihr sicher zu günstigen Konditionen überlassen und ihr Ratenzahlung gewährt hatte, würde sie bei ihrem bescheidenen Gehalt die Summe wahrscheinlich über Monate, wenn nicht Jahre abstottern müssen. Er war zugleich erstaunt und gerührt.
Tagelang zerbrach er sich den Kopf, womit er sich bei ihr revanchieren könnte. Was wäre ein angemessenes Gegengeschenk? Es musste etwas sein, worüber sie sich freuen würde. Aber mehr als das. Über etwas, was sie sich normalerweise nicht leisten konnte wie einen teuren Mantel oder Schmuck, würde sie sich vielleicht freuen, doch das reichte nicht. Er musste ein Geschenk finden, das zeigte, wie viel Mühe er ihretwegen auf sich nahm. Etwas von Bedeutung. Etwas von emotionalem Wert. Er zermarterte sich das Hirn.
Und dann kam ihm endlich die Idee.
Es war ein heller, frostklarer Sonntag, als er kurz vor Mittag ihr Haus erreichte. Sie war bei ihren Eltern in Brooklyn gewesen, aber schon am Morgen zurückgekehrt, um den Tag mit ihm zu verbringen. Er zog das Geschenk behutsam aus dem Taxi. Es war sperrig, und er kam damit nur langsam die Treppe hoch.
Oben angelangt trug er das Paket in ihr Wohnzimmer und legte es auf den Boden.
»Für dich«, sagte er lächelnd. »Von mir.«
»Was kann das nur sein?« Das Paket war ohne Frage merkwürdig: um die vier Zoll hoch und sechs Fuß lang. Sie brauchte ein, zwei Minuten, um es auszupacken.
»Ist ein bisschen sperrig«, sagte er. Doch sie kam gut damit zurecht.
»O Charlie!« Sie riss die Augen auf und bekam den Mund nicht wieder zu. »Das kannst du mir nicht schenken!«
»Und ob ich kann!«
»Aber das ist ein Erbstück, Charlie. Das musst du Gorham geben, für deine Kindeskinder. Es muss in deiner Familie bleiben!«
»Er rechnet gar nicht damit. Er weiß nicht mal davon. Ich glaube, du weißt es mehr zu schätzen als jeder andere Mensch, den ich kenne. Der Rahmenmacher hat gute Arbeit geleistet, findest du nicht?«
Das hatte er ganz gewiss. Der Wampum-Gürtel war auf ein langes, schmales
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