Im Rausch der Freiheit
unpassende Bemerkungen gegenüber ihrer Familie machte.
Charlie selbst hielt eine charmante Ansprache über Theodor und Edmund Keller und dankte sowohl dem Galeristen als auch, insbesondere, Sarah artig für die Ausstellung, die sich der Künstler – wie er ihnen versicherte – selbst nicht hätte besser wünschen können.
Nach Vernissagen luden die Galerien oft den Künstler und ein paar engere Freunde irgendwo zum Abendessen ein, was in diesem speziellen Fall natürlich nicht möglich war, und Charlie fragte sich, was er tun sollte. Die Galeristen sowie Sarah und ihre Familie gingen zusammen aus, und er hätte sich ihnen eigentlich gern angeschlossen. Aber seine Mutter war müde, und nach allem, was sie für die Ausstellung getan hatte, meinte er, es ihr schuldig zu sein, sie heimzubegleiten.
Als er sich von Sarah und ihren Angehörigen verabschiedete, war er unbändig stolz auf sie, gepaart mit einer starken Regung von Beschützerinstinkten und einem plötzlichen Gefühl des Verlassenseins, als er sich von ihr trennen musste.
Wenn sie doch nur ganz offen zu ihrer Liebe stehen könnte, dachte er dann.
*
Charlie erheiterte es immer wieder, Sarah in seiner Wohnung zu beobachten. Seit seiner Scheidung war er zu seinen früheren Junggesellensitten zurückgekehrt. Nicht dass er unordentlich gewesen wäre – ganz im Gegenteil, seine Wohnung mit den weiß gestrichenen Wänden war schlicht und funktional eingerichtet. »Man kommt sich fast vor wie in einer Kunstgalerie«, sagte Sarah, als sie sie zum ersten Mal gesehen hatte. Aber sie wirkte spartanisch. Da er normalerweise auswärts aß, gab es in der Küche kaum Lebensmittel. Sie kaufte ihm Töpfe und Pfannen und Kochutensilien, die er vermutlich niemals benutzen würde, sowie neue weiße Handtücher fürs Badezimmer. Doch sie tat es so geschickt, dass es sich nie wie ein Eingriff in seine Privatsphäre anfühlte. Und sie schien so zufrieden mit dem jeweiligen Ergebnis und wirkte so entspannt, wenn sie bei ihm war, dass Charlie zu der Überzeugung gelangte, ihre Geschmäcker seien sehr kompatibel. Es war ihm bis dahin nie in den Sinn gekommen, dass es ihm Probleme bereiten könnte, mit einer Frau zusammenzuleben, die versuchte, seinen Haushalt auf den Kopf zu stellen, oder anfing, geblümte Gardinen aufzuhängen, wo er lieber schlichte Jalousien haben wollte – doch jetzt wurde ihm bewusst, dass er gar kein Bedürfnis verspürte, zur konventionellen Häuslichkeit zurückzukehren, in der er während seiner Ehe mit Julie gelebt hatte.
»Es ist komisch, aber irgendwie scheint es mich gar nicht zu stören, wenn du hier in der Wohnung bist«, bemerkte er einmal.
Sie lachte. »Herzlichen Dank für das große Kompliment!«
»Du weißt schon, was ich meine«, sagte er.
Nur ein einziges Mal verspürte er ein Aufflammen von Ärger und einen Augenblick der Angst, und selbst das währte nur einen Augenblick. Eines Abends war er in sein Schlafzimmer gekommen und ertappte sie beim Durchkramen seiner Schubladen.
»Suchst du irgendetwas?«, fragte er scharf.
Sie drehte sich um. »In flagranti erwischt«, sagte sie und lächelte verlegen. »Ich möchte deine Krawatten sehen.«
Charlie hatte es noch nie erlebt, von einer Frau eine Krawatte geschenkt zu bekommen, die ihm gefallen hätte, und er fragte sich gerade, ob er sie von diesem hoffnungslosen Vorhaben abbringen sollte, als sie die Stirn runzelte und etwas hervorzog, was ganz hinten in einer Schublade lag.
»Was ist das?«, fragte sie.
Es war eine ganze Weile her, dass er den Wampum-Gürtel das letzte Mal angeschaut hatte. Er nahm ihn ihr aus der Hand und betrachtete ihn nachdenklich.
»Keine Idee?«
»Sieht indianisch aus.«
»Ist es auch.« Er strich mit den Fingern über das feine Perlchenmuster. »Das ist Wampum«, erklärte er. »Siehst du diese winzigen weißen Perlen? Das sind Schnecken. Die dunklen Perlen bilden ein Muster, wie du siehst, und das ist eigentlich so etwas wie eine Schrift. Dieser Wampum-Gürtel enthält wahrscheinlich eine Botschaft.«
»Wo hast du ihn her?«
»Der ist schon seit Langem in Familienbesitz. Möglicherweise seit Hunderten von Jahren. Wie er zu uns gekommen ist, weiß ich nicht, aber er bringt angeblich Glück. Wie ein Amulett.«
»Hat er dir jemals Glück gebracht?«
»Mein Vater trug ihn an dem Tag, als er sein ganzes Geld verlor – nach dem Börsenkrach. Er erzählte mir, dass er ihn anhatte, als er beschloss, von der George Washington Bridge zu springen. Dann sprang
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