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Im Rausch der Freiheit

Im Rausch der Freiheit

Titel: Im Rausch der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Wohlfahrtsorganisationen und stellte fest, dass die Leute dort ihn mit nur mühsam verhohlener Verachtung behandelten. Das überraschte ihn zwar nicht, machte ihn jedoch trotzdem wütend – nicht nur seinet- und seiner Mutter wegen, sondern weil Puerto Ricaner im allgemeinen so behandelt wurden. Und da dämmerte es ihm erstmals: Seine Mutter hatte sich für ihn nicht lediglich erträumt, dass er der Armut entrinnen und sich ein gutes Leben und einen Platz in der Welt erarbeiten würde – er sollte mehr als das erreichen. Wenn sie von Barbosa sprach, meinte sie nicht bloß einen beliebigen geachteten Mann, sondern jemanden, der etwas Großes und Wichtiges geleistet hatte, um seinem Volk zu helfen. Und er liebte sie um dieses größeren, edleren Ehrgeizes willen nur umso mehr.
    Nach ihrem Tod kehrte Juan, der mittlerweile zu einem schlanken und gut aussehenden jungen Mann herangewachsen war, wieder aufs College zurück. Er bestand sein Examen mit Auszeichnung und wünschte, seine Mutter hätte das noch miterlebt. Und dann schlug er den langen, beschwerlichen Weg ein, den das Schicksal ihm zugedacht hatte.
    *
    Gorham fand das winzige Restaurant, das Juan ausgesucht hatte, ohne Schwierigkeiten. Er traf als Erster ein und setzte sich, den Rücken zur Wand, an einen kleinen Vierertisch. Fast unmittelbar nach ihm betrat eine attraktive Rothaarige das Lokal und wurde zum Nachbartisch geführt. Sie setzte sich ebenfalls mit dem Rücken zur Wand und wartete auf ihre Verabredung.
    Abgesehen davon, dass Gorham sich immer freute, Juan zu sehen, war er jetzt außerdem auf die neue Freundin neugierig, die er mitbringen wollte. Fünf Minuten später kamen sie herein.
    Juan sah gut aus. Seit ihrer letzten Begegnung hatte er sich ein hauchdünnes Schnurrbärtchen wachsen lassen, das seinem intelligenten, hübschen Gesicht ein leicht militärisches Aussehen verlieh. Er grüßte Gorham mit einem breiten Grinsen und stellte ihm seine Freundin vor.
    Janet Lorayn, stellte Gorham bewundernd fest, war absolut umwerfend. Sie sah aus und bewegte sich wie eine jüngere Version Tina Turners. Sie schenkte Gorham ein warmes Lächeln und nahm, Juan zu ihrer Linken, ihm gegenüber Platz. Die Tische waren so klein und standen so dicht beieinander, dass Juan der Rothaarigen am Nebentisch fast direkt ins Gesicht sah.
    Sie wechselten ein paar Begrüßungsworte. Gorham machte Juan Komplimente wegen seines Schnurrbarts, und Juan erklärte, Janet meine, dass er damit wie ein Pirat aussehe. »Sie sagt, dass sie eine Schwäche für Piraten hat«, fügte er noch hinzu.
    Die Kellnerin kam, und sie bestellten eine Flasche Wein. Gorham warf einen Blick nach draußen; der Himmel bezog sich allmählich mit dunklen Wolken. Nachdem sie sich Wein eingeschenkt und von der Kellnerin erfahren hatten, welche zwei Menüs zur Auswahl standen, richtete Janet ihre Aufmerksamkeit auf Gorham.
    »Und Sie sind also Banker?«, sagte sie.
    »Stimmt. Und Sie?«
    »Zur Zeit arbeite ich bei einer Literaturagentur. Sehr interessant.«
    »Sie hat erst heute die Fernsehrechte an einem neuen Roman verkauft«, teilte ihm Juan stolz mit.
    »Glückwunsch! Trinken wir darauf. Mein Vater hat früher auch mal einen Roman geschrieben.«
    »Ich habe davon gehört«, sagte Janet. » Verrazano Narrows. Das war eine große Sache.«
    Juan beobachtete die Rothaarige am Nebentisch. Es war unmöglich, dass sie ihr Gespräch nicht mitbekam, aber sie ignorierte sie höflich und schaute von Zeit zu Zeit zur Tür. Als allerdings das berühmte Buch erwähnt wurde, warf sie einen verstohlen neugierigen Blick in Gorhams Richtung.
    »Janet überlegt sich, überhaupt ihr Glück beim Fernsehen zu versuchen«, sagte Juan. »Sie hat eine Freundin, die Produktionsassistentin bei der NBC ist.«
    Das war eines der Dinge, die Gorham an der Stadt so liebte: Dass es hier lange nach den Zeiten der berühmten Algonquin Round Table, zu der sich die bedeutendsten Literaten trafen und die sein Vater in seiner Jugend noch erlebt hatte, nach wie vor die großen Verlagshäuser gab und ebenso die mächtige New York Times und führende Zeitschriften, von Time bis hin zum New Yorker. Und die großen Fernsehsender hatten sich ebenfalls in Manhattan angesiedelt – alle in Midtown, nur wenige Schritte voneinander entfernt. Aber offenbar hatte Janet im Augenblick keine Lust, über ihre Zukunft beim Fernsehen zu reden.
    »Was ich gern wüsste«, sagte sie, »ist, wie ihr beide euch kennengelernt habt.«
    »Auf der Columbia«, sagte

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