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Im Rausch der Freiheit

Im Rausch der Freiheit

Titel: Im Rausch der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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ihre Reaktion. Er hoffte, sie könnte was für Gorham sein, aber wenn sie auf seine Ausführungen negativ reagierte, dann hatte er sich vielleicht in ihr getäuscht.
    »Interessant«, sagte sie.
    Gorham lachte. »Da spricht die Anwältin!«, sagte er.
    Das Gespräch wandte sich jetzt Kindheitserinnerungen zu. Janet war in Queens aufgewachsen. »Schwarz-katholisch. Meine Mom war sehr strenggläubig.« Gorham schilderte seine Besuche bei seiner Großmutter. Ein-, zweimal wurde das Gespräch durch laut krachenden Donner und Blitze unterbrochen, als das Gewitter in nördlicher Richtung über Manhattan zog. Gorham erfuhr, dass Maggies Großvater in einem großen Stadthaus an der unteren Fifth Avenue aufgewachsen war. »Der alte Sean O’Donnell besaß eine Menge Geld. Er häufte es im vorigen Jahrhundert an.« Sie lächelte. »Davon ist nichts mehr übrig.«
    »Beim Börsenkrach und während der Depression verloren?«, fragte Gorham.
    »Vielleicht zum Teil. Aber ich glaube, wir waren einfach eine zu große irische Familie. Haufenweise Kinder, drei Generationen lang. Das verwässert schnell jedes Vermögen. Mein Vater hat sein Leben lang gearbeitet, und die Hypothek ist er immer noch nicht los. Was soll ich sagen?«
    Gegen Ende der Mahlzeit hatte Maggie ein paarmal diskret auf die Uhr geschaut und sich offenbar gesagt, dass es für sie langsam Zeit werde, wieder an die Arbeit zu gehen. Aber es regnete so heftig, dass die Chancen, ein Taxi zu finden, gering schienen. Als sie beim Dessert angelangt waren, verzog sich das Gewitter bereits nach Norden. Der Donner hallte zwar weiterhin das Hudsontal hinauf, doch der Regen hatte nachgelassen. Es war fast halb zehn.
    »Nun«, sagte Maggie, »es war wirklich sehr nett, aber ich muss mich bald wieder an meine Arbeit machen.« Ein Blitz zuckte in der Ferne, wie um die Dringlichkeit ihrer Mission zu unterstreichen.
    »Möchten Sie nicht vorher noch einen Kaffee trinken?«, fragte Gorham. »Dann läuft’s bestimmt besser mit der Arbeit.«
    »Gute Idee«, sagte Maggie.
    Plötzlich gingen alle Lichter aus.
    Und nicht nur in dem kleinen Restaurant. Im ganzen Viertel wurde es schlagartig dunkel. Erst herrschte Stille, dann folgte Gelächter. Auf den Tischen standen Gläschen mit brennenden Teelichtern; wenige Augenblicke später trat die Besitzerin aus der Küche und begann weitere anzuzünden. Der Kaffee sei schon fertig, sagte sie ihnen, den könnten sie also trotz der Panne haben.
    »Das ist bestimmt bald wieder vorbei«, sagte Gorham. »Con Ed verfügt über gewaltige Notreserven.«
    »Oder vielleicht wird’s wie 1965«, sagte Juan. »Eine Bevölkerungsexplosion.« Es war eine statistische Tatsache, dass es neun Monate nach dem letzten großen Stromausfall, 1965, einen kurzen, steilen Anstieg der örtlichen Geburtenrate gegeben hatte. Gorham wandte sich zu Maggie.
    »Ich fürchte, Sie werden jetzt vielleicht Probleme haben, wieder ins Büro zu kommen.«
    »Ich werde schon ein Taxi finden. Es regnet ja nicht mehr.«
    »Es gibt nach wie vor kein Licht.«
    »Vielleicht besitzt die Kanzlei ein Notstromaggregat.«
    »Und wenn nicht?«
    »Dann besorge ich mir ein paar Kerzen.«
    »In welchem Stock liegt Ihr Büro?«
    »Im zweiunddreißigsten.«
    »Sie wollen zweiunddreißig Stockwerke hinauflaufen?«, fragte Gorham. Maggie schien unschlüssig. »So testen Kanzleien wie Branch & Cabell wohl das Engagement ihrer Mitarbeiter.«
    »Sehr witzig«, entgegnete sie trocken.
    Sie tranken ihren Kaffee. Leute, die von der Straße hereinkamen, sagten ihnen, überall in der Stadt seien die Lichter aus. Eine Viertelstunde verging, und dann erklärten Juan und Janet, dass sie sich auf den Weg machen würden. Nachdem Gorham und Juan darauf bestanden hatten, die Rechnung unter sich zu teilen, und Maggie sich höflich bedankt hatte, verließen sie gemeinsam das Lokal, und Juan und seine Freundin entfernten sich in Richtung Norden.
    »Also«, sagte Gorham, »wollen Sie wirklich zurück in Ihr Büro?«
    Maggie starrte nach Süden, auf die völlige Schwärze über Midtown. »Ich müsste eigentlich. Aber wahrscheinlich jetzt wohl besser nicht.«
    »Vorschlag: Wir gehen die Park hinunter in meine Richtung – ich wohne in den Seventies. Wenn das Licht bis dahin wieder angeht, können Sie Ihren Weg fortsetzen. Wenn nicht, bekommen Sie bei mir einen Drink, und dann begleite ich Sie sicher nach Hause. Abgemacht?«
    »Sie schlagen vor, dass ich in Begleitung eines Mannes, den ich kaum kenne, ein unbeleuchtetes

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