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Im Rausch der Freiheit

Im Rausch der Freiheit

Titel: Im Rausch der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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besten Highschools der Stadt für Kinder aus öffentlichen Schulen seien Hunter, Bronx Science und eben Stuyvesant unten im Financial District. Schulgeld werde nicht verlangt, sagte Michael, aber die Aufnahmeprüfung sei schwierig und die Konkurrenz knallhart.
    Als Juan seiner Mutter von Michaels Highschoolplänen erzählte, kam er nicht auf die Idee, die Information könnte auch ihn etwas angehen. Und so war er erstaunt – und ziemlich verlegen –, als Maria gleich am nächsten Tag in der Schule erschien und einen seiner jüdischen Lehrer fragte, was sie tun müsse, um ihren Sohn ebenfalls auf eine solche Highschool zu schicken.
    Der Lehrer machte ein ziemlich überraschtes Gesicht, aber eine Woche später nahm er Juan beiseite und stellte ihm eine Menge Fragen:Wie es ihm auf der Schule gefalle, welche Fächer ihm am meisten Spaß machten und was er sich für seine Zukunft erhoffte. Und da Juan seiner Mutter, die so hart für ihn arbeitete, eine Freude machen wollte, sagte er, er würde wirklich gern auf die Stuyvesant gehen.
    Der Lehrer zog ein ziemlich zweifelndes Gesicht, und damals glaubte Juan, das liege daran, dass seine Noten nicht gut genug seien; später begriff er dann, dass der Lehrer skeptisch gewesen war, weil die Stuyvesant keine schwarzen Puerto Ricaner aufzunehmen pflegte. »Um dir auch nur die geringste Hoffnung machen zu können«, erklärte ihm der Lehrer, »brauchst du wenigstens so gute Noten wie dein Freund Michael.«
    Nach diesem Gespräch legte sich Juan mit aller Kraft ins Zeug, und tatsächlich schaffte er es auf Michaels Niveau. Er meinte zu spüren, dass manche Lehrer ihm ein bisschen zusätzliche Aufmerksamkeit schenkten und ihn bisweilen hart rannahmen oder ihm mehr Hausaufgaben als den anderen aufbrummten, aber er schätzte, dass sie ihm damit zu helfen versuchten, und so beklagte er sich nicht. Und als es so weit war und sie die Prüfung ablegten, wurden sie beide in der Stuyvesant aufgenommen. Natürlich freute er sich wie ein Schneekönig, seine Mutter indes, als sie die Nachricht hörte, weinte buchstäblich vor Glück.
    Und so war Juan Campos auf die Stuyvesant Highschool gekommen. Zum Glück beschloss sein Cousin Carlos, diese seltsame Fügung als eine Art Sieg für die Gang zu werten. Ihr Maskottchen würde eine gute Schulbildung bekommen und vielleicht Rechtsanwalt werden oder Ähnliches und lernen, die Weißen in ihrem eigenen dreckigen Spiel zu schlagen. Solange sie auf der Stuyvesant waren, fuhren er und Michael jeden Morgen und jeden Abend mit derselben U-Bahn. In den Ferien nahm er jeden Job an, den er bekommen konnte – hauptsächlich als Bote für Pizzaservices und Restaurants unten in Carnegie Hill, wo man gute Trinkgelder bekam –, um zu seinem Lebensunterhalt beizutragen.
    Doch im letzten Jahr auf der Highschool veränderte sich Juans Leben.
    »Vermutlich«, sagte er Jahre später zu Gorham, »war ich bis dahin wirklich ein Kind.«
    Eines Abends kam er heim und musste erfahren, dass seine Mutter gestürzt war und sich am Bein verletzt hatte. Am Tag darauf war sie nicht imstande gewesen, zur Arbeit zu gehen. Ein paar Tage lang blieb das so, und Juan pflegte sie jeden Abend nach der Schule. Sie wollte nicht zum Arzt gehen, aber schließlich wurden der Schmerz und die Schwellung in ihrem Knöchel so schlimm, dass sie nachgab. Und da war die Wahrheit herausgekommen.
    »Ich glaube, ihr war durchaus klar, dass sie schon die ganze Zeit krank gewesen war, aber sie wollte es nicht wahrhaben.« Als der Arzt Juan erklärte, der Knöchel würde in einem Monat auskuriert sein, aber seine Mutter habe ein schwaches Herz, war Juans weiterer Weg klar gewesen.
    Die Elite-Colleges boten spezielle Stipendien für Stuyvesant-Abgänger an, aber das kam für ihn selbstverständlich nicht mehr in Betracht. Das City College an der West 137th Street andererseits kostete nichts und hatte einen guten Ruf. Das konnte er besuchen, ohne von zu Hause ausziehen zu müssen, so dass er sich weiter um seine Mutter kümmern würde. In den folgenden Jahren hatte er tagsüber im City College studiert und nachts und in den Ferien gearbeitet, um sie zu unterstützen. Als Maria nicht einmal mehr imstande gewesen war, die wenigen leichten Jobs, die sie noch behalten hatte, zu erledigen, hatte er sich im College eine Auszeit genommen, um ganztags arbeiten und etwas auf die hohe Kante legen zu können. Es war hart gewesen, aber sie hatten es geschafft.
    Dann, während seines letzten Jahres am City College,

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