Im Rausch der Freiheit
blieb ihr zuwider.
»Das ist eine verachtenswerte Nation«, pflegte sie zu sagen. »Sie lässt sich von den Papisten regieren.«
Denn wie sich herausstellte, war unser Eigentümer, der Herzog von York, die ganze Zeit ein heimlicher Katholischer gewesen. Die Leute vermuteten, dass auch König Karl II. insgeheim katholisch sein könnte, obwohl er das bestritt. Der Herzog von York hingegen versuchte gar nicht erst, es zu verheimlichen. Er war gut Freund mit den Papisten und entsandte sogar einen katholischen Gouverneur nach New York. Hier kann man fast jeder Religion anhängen oder auch keiner. Denn es heißt, dass die Hälfte der Menschen in der Stadt an gar keine Religion glaubt. Aber fast jeder hat Angst vor den Katholischen.
Der katholische Gouverneur erließ eine Charta, die der Provinz freie Wahlen gewährte, und versprach, dass es ohne Einwilligung der gewählten Männer keine Steuererhöhungen geben werde. Dafür schätzten ihn sogar einige der strenggläubigen Niederländer. Doch die Herrin ließ sich davon nicht beeindrucken.
»Trau niemals einem Engländer«, sagte sie immer, »und trau nie einem Papisten.«
*
Der Winter, mit dem das Jahr 1684 endete, war ungewöhnlich kalt. Der große Teich nördlich der Stadt war drei Monate lang dick zugefroren. Wie die meisten Niederländer lief der Baas gern Schlittschuh; und eines Morgens gingen wir alle, zusammen mit Jan und seinen zwei kleinen Töchtern, hinauf zum Eis.
Jan arbeitete mit seinem Vater zusammen. In jenen Jahren expandierte das Geschäft mit dem Brennen von Rum aus Melasse stark. Auf der anderen Seite der Bucht, auf Staten Island, hatte es schon eine Brennerei gegeben, doch Jan errichtete zusammen mit Mr Master eine weitere in der Stadt. Außerdem handelte er mit Spirituosen, die aus den Niederlanden stammten, wie dem Wacholderschnaps, den sie Jenever nennen.
Die Herrin erschien mit Juffrouw Clara und deren Mann. Kinder hatten sie noch keine, aber Clara sah schöner aus denn je. Der Baas zeigte allen Kindern, auch meinem Sohn Hudson, wie man Schlittschuh lief, und die Herrin strahlte über das ganze Gesicht und sagte, dass der große Teich mit den vielen Schlittschuhläufern darauf wie ein flämisches Gemälde aussehe. Sie schien sich nicht einmal daran zu stören, dass Mr Master und seine Familie ebenfalls erschienen.
Mr Master hatte einen Sohn namens Henry, der zu der Zeit ungefähr achtzehn Jahre alt gewesen sein muss. Er war seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten. Und als dieser junge Mann Juffrouw Clara erblickte, die so hübsch aussah und so rosig durch die Bewegung und die kalte Luft, da konnte er kein Auge von ihr wenden. Claras Mann schien es nicht zu bemerken. Sie und Henry liefen zusammen Schlittschuh. Selbst die Herrin war belustigt und sagte: »Der Junge ist in dich verliebt.«
Dieser Tag ist mir für immer als ein sehr glücklicher in Erinnerung geblieben.
*
Die Nachricht schlug in New York wie ein Blitz ein: König Karl II. war im Februar 1685 nach kurzer Erkrankung gestorben, und sein Bruder, der Herzog von York, folgte ihm im April desselben Jahres auf den Thron. Er hieß nun König Jakob II., der Katholische.
New York hatte also einen katholischen König. Ehe man sich’s versah, besetzte er alle wichtigen Ämter mit Glaubensbrüdern. Dann zerriss er die Charta, die dieser Provinz Wahlen garantierte. »Ich hatte es dir ja gesagt«, sagte die Herrin. »Ich hab’s dir gesagt: Trau nie einem Papisten.«
Es sollte noch schlimmer kommen. Drüben in Frankreich beschloss König Ludwig XIV. plötzlich, alle Protestanten aus seinem Reich hinauszujagen. Davon gab es eine riesige Anzahl, und sie mussten ihre Habseligkeiten, so gut es ging, zusammenraffen und die Beine in die Hand nehmen. Manche flohen in die Niederlande, und es dauerte nicht lange, da trafen auch welche in New York ein. Hugenotten nannten die Leute sie.
Eines Tages besuchte Jakob Leisler die Herrin in Begleitung eines dieser Hugenotten, eines sehr vornehmen Mannes. Er hieß Monsieur Jay, und er sagte, König Jakob habe König Ludwig einen Brief geschrieben und ihm zu dem Hinauswurf all dieser Protestanten gratuliert. In England, so hieß es, herrsche große Unzufriedenheit über den katholischen König. Der Baas war betroffen; und die Herrin konnte von nun an von nichts anderem mehr reden. Sie sagte, die Engländer sollten revoltieren und den König verjagen. Genau das hätten die Niederländer getan, als sie unter der Herrschaft des katholischen Königs von
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