Im Rausch der Freiheit
nahm Martha auf Spaziergänge mit. Die Herrin schien nichts dagegen zu haben.
*
Eine Sache war es, Kaperfahrer gegen den Feind auszusenden, aber eine andere, die Provinz zu regieren. Mitunter ging es ziemlich drunter und drüber. In Boston hatten sie König Jakobs II. Gouverneur ins Gefängnis geworfen. In New York wusste keiner, wer von Rechts wegen das Sagen hatte. Da betrat Jakob Leisler die historische Bühne. Da der Deutsche Seniorkapitän und einer der Kommandanten der sechs Kompanien zählenden Bürgerwehr war, baten ihn die Stadtväter, bis zur Klärung der Situation das Regiment zu übernehmen. Außerdem hatte er sowohl zu den einfachen Handwerkern gute Verbindung als auch zu den Aristokraten, den reichen wie den Philipses, Cortlands, weil er ja mit der begüterten Elsie van der Veen liiert war.
Die entscheidende Bürgervollversammlung fand am 31. Mai 1689 statt. Kaum dass sein Name vorgeschlagen wurde, erscholl, so hieß es, aus hundert Kehlen der Ruf: »Zu Leisler, zu Leisler!« Tatsächlich zog die Menge östlich vom Fort vor sein Ziegelsteinhaus, um dort zu wilden Trommelklängen ihrem Wunsch Ausdruck zu verleihen. Jakob Leisler soll aus dem Haus getreten sein, um mäßigend auf die Leute einzuwirken, aber diese teilten sich in zwei Gruppen. Die eine zog zum Stadthaus, um dort dem Vizegouverneur Nicholson die Schlüssel des Forts abzuverlangen, die andere bewegte sich direkt zum Fort und besetzte es kurzerhand. Jakob Leisler blieb kaum anderes übrig, als sich bereit zu erklären, einer provisorischen Stadtregierung vorzustehen. Er versprach, das Fort und die Stadt für Wilhelm II., den Oranier, offen zu halten und gegen etwaige Angriffe der bisherigen Regierung zu schützen.
Man kann sich vorstellen, wie erfreut die Herrin war. Einige der niederländischen Patrizier, wie Doktor Beekman und einige Stuyvesants, unterstützten den Mijnheer Leisler, wie sie ihn nannten. Die niederländischen Ladenbesitzer und Handwerker und die gesamte niederländische Unterschicht waren ebenfalls für ihn, weil er die Niederländer so sehr schätzte, dass er einer von ihnen zu sein schien. Die Hugenotten, von denen fast mit jedem Schiff neue ins Land kamen, mochten ihn, weil er den Protestanten nahestand. Tatsächlich half er ihnen bei der Gründung einer hugenottischen Siedlung nördlich von Manhattan, die sie nach einer der französischen Städte, aus denen sie vertrieben worden waren, Nouvelle Rochelle nannten, oder wie die Engländer sagten: New Rochelle. Und viele der Engländer, besonders drüben auf Long Island, mochten ihn, weil sie allgemein eine Abneigung gegen Katholiken hegten und er gut protestantisch war. Sie nannten den Deutschen einfach James Leisler. Einige der Frömmsten erklärten sogar, die Glorreiche Revolution sei ein Zeichen dafür, dass das Reich Gottes nahe sei.
Also herrschte Jakob Leisler eine Zeitlang über New York. Doch er hatte es nicht leicht. Bei seinem Amtsantritt im Juni floh der Vizegouverneur auf einem Schiff aus New York, und seine Anhänger sammelten sich in Albany, um gegen den Deutschen zu intrigieren. Ich erinnere mich, wie er eines Tages bei der Herrin zu Besuch war und klagte, es sei sehr schwierig, Recht und Ordnung zu wahren. »Leider werde ich die Steuern erhöhen müssen«, sagte er, »und mich damit unbeliebt machen.« Ich sah, dass sein Gesicht, das sonst immer so vergnügt war, müde und abgespannt aussah. »Aber eines«, sagte er, »verspreche ich Ihnen: Ich werde diese Stadt nie wieder irgendwelchen Katholischen übergeben.« Jakob Leisler regierte New York ungefähr anderthalb Jahre lang. Während die Herrin Feuer und Flamme für ihn war, hielt sich der Baas eher bedeckt.
Was ihn beschäftigte, begriff ich erst, als wir eines Tages die Hauptstraße entlanggingen, die vom Fort hinauf zum Stadttor führte und die die Engländer Broadway nannten. In diesem Teil der Stadt lebten hauptsächlich die ärmeren Niederländer – Zimmerer, Fuhrleute, Ziegelbrenner, Schuster und Matrosen. Sie alle liebten Leisler. Und ich sagte zum Baas, dass Jakob Leisler doch sehr beliebt sei.
»Hmm«, erwiderte er. »Das wird ihm allerdings nicht viel nützen.«
»Wieso das, Baas?«, fragte ich. Aber er gab darauf keine Antwort.
Schon bald sollte ich erfahren, wo die Schwierigkeit lag. Leisler hatte begonnen, einfache Leute mit Verwaltungsämtern zu betrauen und ihnen Macht zu geben. Selbst die niederländischen Handelsherren sahen das nicht gern. Manche Dominees fingen ebenfalls an,
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