Im Rausch der Freiheit
du ja gar keinen Mann mehr. Du könntest meinen Sitz im Vorstand neben John Vorpal übernehmen und für ewig und immerdar glücklich und zufrieden leben.«
»Erspar mir wenigstens die jämmerlicheren Aspekte deiner Midlifecrisis!«
»Weißt du was, Maggie? Du hast recht. Du hast immer recht. Du bist die perfekte Branch-&-Cabell-Anwältin, die es immer am besten weiß. Vielleicht sollte ich meine Midlifecrisis einfach für mich behalten. Man weiß ja nie – gut möglich, dass ich ein echtes Talent fürs Midlifecrisis-Haben besitze! Ich könnte am Ende einen Haufen Geld damit verdienen!«
»Ich denke, wir sollten diese Diskussion beenden.«
»Da sind wir ja ausnahmsweise mal einer Meinung!«
*
Es war ein klarer, strahlender Septembertag. Dr. Caruso verließ seine Wohnung an der West End Avenue schon früh.
Er hatte erfahren, dass es mit dem Eigentümervorstand in der Park Avenue möglicherweise Schwierigkeiten geben würde, und war gekränkt. »Liegt’s daran, dass ich einen italienischen Namen habe?«, hatte er die Maklerin gefragt. Die Erinnerungen aus seiner Kindheit waren noch sehr lebendig.
»Absolut nicht«, versicherte sie ihm. »Vielleicht hätten sie sich über etwas mehr gesellschaftliche Referenzen gefreut, aber es geht mehr ums Geld. Der neue Vorstandsvorsitzende will reichere Leute.«
Na ja, wenn das alles war, machte das Caruso nicht allzu viel aus. Er hätte es lediglich nicht gut gefunden, seine Frau gedemütigt und beschämt zu sehen. Eine Weile spielte er mit dem Gedanken, mit den Masters über die Sache zu reden, doch er wollte sie nicht in eine peinliche Situation bringen.
»Ich denke, wir sollten einfach zum Vorstellungsgespräch gehen«, sagte er zu seiner Frau. »Ich werde sie fragen, was sie eigentlich genau wollen, und wenn wir ihnen nicht passen, auch gut, dann sage ich denen direkt ins Gesicht, dass wir in deren Haus nicht begraben sein möchten. Höflich natürlich. Aber Unverschämtheiten lasse ich mir von denen nicht bieten!«
Nachdem er das gesagt hatte, fühlte er sich schon besser.
Außerdem musste er an diesem Dienstagvormittag zu einem Termin bei seinem Versicherungsagenten. Der Mann redete ihm seit Jahren zu, eine alte Risikolebensversicherung, die er bereits besaß, umzuwandeln. Am Ende willigte er ein. Zeitlich befristete Policen waren anfangs billiger, aber der Mann hatte schon recht, mit der Zeit wurden sie teuer. Er ließ sich einen frühen Termin geben, sodass er rechtzeitig wieder in Uptown sein würde, um seine Praxis zur gewohnten Uhrzeit öffnen zu können.
Es war ein schöner Tag. Die Versicherungsagentur lag ziemlich weit oben im Südturm des World Trade Center. Die Aussicht von da oben würde sagenhaft sein.
*
Katie Keller war von einer ruhigen Zuversicht erfüllt. Man musste aber auch zugeben, dass ihr Präsentationsbuch fantastisch war. Vielleicht hatte sie ja ein paar von Theodor Kellers Künstlergenen geerbt. Fotos von Dinnerpartys und Banketten, Geschäftsessen und -büffets wechselten sich geschmackvoll mit Speisekarten und Dankesbriefen ab. Eine Aufnahme zeigte sogar einen namhaften Finanzier, der einen Vortrag hielt, während auf einer Seite – unaufdringlich, jedoch sichtbar – ein Tisch mit ihren Erfrischungen stand.
Sie hatte Fotos von ihren Teams, unter anderem bei einem Geschäftsessen, zu dem sie ein Dutzend Kellnerinnen und Kellner hatte stellen müssen – eigentlich die Besetzung eines Off-Broadway-Musicals. Das war ein Mordsspaß gewesen. Und dann gab es noch Aufnahmen von ihrer Küche, die scheinbar bis ins kleinste in Edelstahl glänzte. Okay, ein bisschen davon war gefakt.
Ach ja, und die Blumenarrangements sahen ebenfalls ganz fantastisch aus.
Sie hatte Preislisten und Balkendiagramme dabei und ein Schaubild, das zeigte, dass ihre Kostenentwicklung immer knapp unter derjenigen der wichtigsten Konkurrenz lag. Geschäftskunden liebten solchen Schnickschnack.
Und so war Katie Keller bester Stimmung. Sie trug ein Kleid, in dem sie ebenso hübsch wie seriös aussah. Immer beide Köder auswerfen.
Am Steuer saß ihr Verlobter Rick. Als sie über die George Washington Bridge fuhren, konnte sie stromaufwärts bis hinter die Palisades schauen und hinunter zur fernen glitzernden Fläche des New York Harbour. Es war wunderschön.
Während sie den Henry Hudson Parkway den Fluss entlang hinunterfuhren, blickte sie aufs Wasser. Sie passierten den Jachthafen an der 79th Street, und in den unteren Fifties erreichten sie die großen Piers,
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