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Im Rausch der Freiheit

Im Rausch der Freiheit

Titel: Im Rausch der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Die der überzogenen Erwartungen. Immer protzigere Häuser, Privatflugzeuge, Jachten … schwindelerregende Gehälter und Boni. Erst wünschen sich die Menschen diese Dinge, dann fangen sie an, sie zu erwarten. Aber die Erwartungsblase wird ebenfalls platzen, wie alle Blasen das zu tun pflegen.«
    »Dann werden Sie die großen Picassos nicht mehr verkaufen können.«
    »Kommen Sie in meine Galerie, und ich werde Ihnen schöne Dinge zu einem vernünftigeren Preis verkaufen. Aber die Hauptsache ist, dass sie einen Wert haben. Wirklich schöne Dinge, Dinge mit Geist. Das ist Kunst. New York ist voll von Menschen wie mir, und Sie haben uns nicht wahrgenommen. Sie sehen nur Dollar.«
    »Als ich ein Junge war«, sagte Gorham, »hat mir meine Großmutter einmal einen Silberdollar geschenkt. Ich vermute, das war für mich ein Symbol für all das, was die Familie einst darstellte, als wir noch Geld besaßen. Ich trage ihn noch heute ständig bei mir in der Tasche, als Erinnerung daran, woher ich stamme. Von der alten Familie Master, so wie sie war, bevor mein Großvater sein Geld verlor – und mein Vater andere Wege ging. Sie finden es wahrscheinlich albern, aber mir kommt es so vor, als habe meine Großmutter damit das alles symbolisch an mich weitergegeben.«
    »Wirklich? Dann ist es bestimmt ein Morgan-Dollar.«
    »Ja. Woher wussten Sie das?«
    »Weil ich zu der Zeit mit Ihrem Vater zusammen war und er mir davon erzählt hat. Ihre Großmutter wollte Ihnen ein Geschenk machen, und sie fragte Charlie um Rat. Also gab er ihr den Dollar, den er von einem Münzsammler gekauft hatte, damit sie ihn Ihnen schenkte. Ihr Silberdollar kam in Wirklichkeit von Charlie. Alles Übrige ist lediglich Ihre Konstruktion.«
    Gorham blieb ein paar Augenblicke stumm, schüttelte dann den Kopf. »Sie wollen damit sagen, ich habe mir etwas vorgemacht.«
    »Die Menschen kommen nach New York, um frei zu sein, doch Sie haben sich ein Gefängnis für sich selbst gebaut.« Sie seufzte. »Ich habe Ihren Vater geliebt, Gorham, aber ich bin froh, dass es mein Mann war, den ich dann heiratete. Und wissen Sie, wie wir unsere Ehe aufbauten? Schicht für Schicht. Gemeinsame Erfahrungen, Kinder, Treue. Schicht für Schicht. Bis wir etwas hatten, das wertvoller ist als alles, was ich mir vorstellen kann. Und wir haben versucht, das an unsere Kinder weiterzugeben. Mehr können Eltern nicht tun – als ihren Kindern beizubringen versuchen, wie man leben soll. Ich glaube nicht, dass Sie das erreichen, indem Sie nach Boston gehen.« Sie schaute auf ihre Uhr. »Ich muss weg.«
    »Ich wohl auch.«
    Sarah Adler stand auf. »Ich habe Ihnen eine Predigt gehalten. Nun werde ich Ihnen etwas schenken. Ich weiß, dass sie Ihnen gefällt. Früher einmal habe ich sie Ihrem Vater geschenkt, jetzt schenke ich sie Ihnen.« Sie reichte ihm die Motherwell-Zeichnung. »Bitte kehren Sie zu Ihrer Familie zurück und bauen Sie sich ein gutes Leben auf, Gorham. Das würde mich sehr glücklich machen.« Sie lächelte ihn flüchtig an. »Fürs Frühstück dürfen Sie bezahlen.«
    Und schon entfernte sie sich mit schnellem Schritt.
    Er wartete gerade auf die Rechnung, als ihm eine Idee kam. Er eilte aus dem Restaurant.
    Als er Sarah Adler einholte, war sie gerade dabei, auf der Park in ein Taxi einzusteigen.
    »Ich möchte Ihnen auch etwas geben.« Er überreichte ihr den Wampum-Gürtel. »Mein Vater hätte gewollt, dass Sie ihn behalten – das weiß ich –, aber Sie können ihn ebenso als ein Geschenk von mir betrachten.«
    »Tja, dann danke.« Sie heftete den Blick auf ihn. »Denken Sie über das nach, was ich Ihnen gesagt habe.« Dann legte sie sich den Gürtel mit einem spitzbübischen Lächeln um die Taille und knotete ihn zusammen. »Wie sehe ich aus?«
    »Umwerfend.«
    »Tja, dann bin ich das wohl.« Sie stieg ein, und das Taxi fuhr los, während er wieder hineinging, um die Rechnung zu bezahlen.
    »Wohin?«, fragte der Fahrer Sarah Adler.
    »Zum World Trade Center«, erwiderte sie.
    *
    Gorham blieb mehrere Minuten lang an ihrem Tisch sitzen. Er überlegte, was er tun sollte. Er warf einen Blick auf die Uhr. Wenn er rechtzeitig zu seinem Termin mit dem Headhunter kommen wollte, dann sollte er sich besser auf den Weg machen. Die Zeichnung unter dem Arm trat er hinaus auf die Straße, und schon Augenblicke später saß er in einem Taxi in Richtung Süden.
    Auf dem FDR Drive floss der Verkehr reibungslos. Das Taxi umrundete die Ausbuchtung der Lower East Side an der Williamsburg

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