Im Rausch dieser Nacht
Sitz zurück. Sherri trank von ihrem Kaffee und stellte den Becher, den sie noch immer in beiden Händen hielt, behutsam wieder auf die Tischplatte.
Etwas planlos blätterte Greg in seinen Notizen. Er musste sich ablenken, denn er verspürte deutlich den Wunsch, sich zu dem Mädchen zu setzen, es in den Arm zu nehmen und zu trösten, so verschreckt wirkte es. Sein hübsches Gesicht war weiß wie eine Wand.
Er nahm sich zusammen. „Haben Sie jemanden reden oder rufen hören?“
„Nein.“
„Als die Scheinwerfer Sie blendeten, saßen Sie da schon in Ihrem Wagen, oder standen Sie noch draußen?“
„Ich stand an der Tür auf der Fahrerseite.“
Mist, verdammter, dachte Greg, ließ sich aber nichts anmerken. Das bedeutete mit ziemlicher Sicherheit, dass die beiden Unbekannten sie gesehen, sich vielleicht sogar das Nummernschild ihres Wagens gemerkt hatten. „Okay. Ich möchte jetzt, dass Sie mir diese beiden Gestalten beschreiben, und zwar mit allem, was Ihnen dazu einfällt. Waren sie dick oder dünn, groß oder klein? Alles, was Ihnen in den Sinn kommt.“
Sherri rang die Hände, während sie angestrengt nachdachte. Dann schüttelte sie den Kopf. „Es tut mir wirklich leid, aber ich kann Ihnen da nicht weiterhelfen. Ich habe weder ihre Gesichter gesehen noch habe ich überhaupt richtig auf sie geachtet.“
„Aber Sie haben sie doch laufen sehen. Wie sah das aus: sportlich oder eher mühsam, kurze Schritte, lange Schritte?“
„Nun, ich würde sagen, sie wirkten beide eher sportlich. Sie sind schnell gelaufen, praktisch gesprintet. Mir erschienen sie beide ziemlich groß, aber dazu gehört bei meiner Größe nicht viel.“
„Können Sie das schätzen?“
„Vielleicht einen Meter achtzig oder etwas mehr. Wie groß sind Sie denn?“
Greg war ein wenig überrascht von dieser Frage. „Einen Meter sechsundachtzig.“
„Dann liege ich mit meiner Schätzung bestimmt nicht so verkehrt. Ich hätte bei Ihnen auf einen Meter fünfundachtzig getippt.“
„Ich brauche den Namen und die Adresse Ihres Freundes. Ihn müssen wir auch noch befragen.“
Sherri gab die gewünschten Auskünfte, und Greg hielt sie in seinen Notizen fest.
„Alles klar“, sagte er dann. „Jetzt muss ich Sie nur noch bitten, morgen aufs Revier zu kommen. Morgen früh, wenn es Ihnen passt. Ich möchte Ihnen ein paar Fotos aus unserer Kartei zeigen. Außerdem müssen wir Ihre Aussage noch einmal schriftlich aufnehmen. Aber ich verspreche Ihnen, dass es nicht lange dauern wird.“
„Einverstanden.“
Sie standen auf, und Greg begleitete Sherri nach draußen. Auf dem Weg sagte er: „Wenn es Ihnen nichts ausmacht, werde ich Ihnen in meinem Wagen folgen, bis Sie zu Hause sind. Ich mache mir doch ein wenig Sorgen, dass diese Männer Sie gesehen haben und anfangen, nach Ihnen Ausschau zu halten. Wir sollten lieber kein Risiko eingehen.“
„Das sehe ich auch so.“
Auf dem Parkplatz bemerkte Greg, dass die Polizeikräfte und die Spurensicherung schon abgezogen waren. Der Platz lag verlassen da. Nur das gelbe Plastikband, mit dem das Areal abgesperrt war, bewegte sich leicht im Wind. Er ging mit ihr bis zu ihrem Wagen. Dann stieg er in sein eigenes Fahrzeug, wartete, bis sie losgefahren war, und folgte ihr in einigen Metern Abstand. Als sie an ihrer Adresse angekommen waren, blieb er hinter seinem Steuer sitzen und beobachtete durch die Windschutzscheibe, wie sie die Haustür aufschloss. Ehe sie im Haus verschwand, drehte sie sich noch einmal um und winkte ihm kurz zu.
Greg blickte noch einen Moment lang wie gebannt auf die Tür, hinter der sie verschwunden war. Dann startete er den Motor. Er musste zurück ins Büro, um seinen Bericht zu schreiben.
So schnell sie konnte, lief Sherri die Treppen hinauf in ihre Wohnung. Sie warf die Tür hinter sich zu, schloss sorgfältig ab und legte die Kette vor. Dann knipste sie alle Lichter in der Wohnung an, ging ins Badezimmer und wusch sich das Gesicht. Unruhig betrat sie daraufhin die Küche, die nichts weiter war als eine winzige Kochnische, holte einen Joghurt aus dem Kühlschrank und löffelte ihn nachdenklich aus.
Sherri sah auf die Uhr. Es war erst elf. Ihr kam es so vor, als wäre sie die ganze Nacht auf den Beinen gewesen. Sie entschloss sich, vor dem Schlafengehen noch eine heiße Dusche zu nehmen. Nachdem sie das getan hatte, löschte sie die Lichter in der Wohnung, ging ins Schlafzimmer und kroch ins Bett. Auch hier machte sie gleich das Licht aus und rollte sich unter ihrer
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