Im Rausch dieser Nacht
brauchst dich nicht dafür zu entschuldigen, was du über meine Familie gesagt hast.“
Erwartungsvoll sah sie ihn an.
„Wie ich dir schon am Telefon erzählt habe, habe ich in den letzten Wochen ziemlich viel nachgedacht – unter anderem auch darüber, woran unsere Ehe wohl gescheitert ist. Ich bin dann zu dem Schluss gekommen, dass es fair wäre, dir zu berichten, was ich darüber und auch über mich herausbekommen habe.“
Sherri bemühte sich, sich nicht von seiner Nervosität anstecken zu lassen.
„Es war ein ziemlicher Schock für mich, zu erkennen, dass ich dich genauso behandelt habe, wie mein Vater den Rest der Familie behandelt. Er hat nie über sich oder das Leben gesprochen, das er geführt hatte, bevor er meine Mutter geheiratet hat. Als ich fünfzehn oder ein bisschen älter war, habe ich meine Mutter einmal gefragt, wie es früher mit ihm gewesen war. Sie hat mir ein wenig von damals erzählt und gesagt, dass ihn der Drang, Geld zu verdienen, nach und nach immer mehr aufgefressen hat. Er würde sich eben im Geschäft wohler als zu Hause fühlen. Ein anderes Mal meinte sie, er wäre jemand, der alles daransetzen würde, um zu bekommen, was er haben will. Und wenn er das dann hätte, wäre es nicht mehr wichtig, und er würde sich auf etwas Neues stürzen. Mit ihr sei es nicht anders gewesen. Er wollte sie, er hat sie bekommen – und das war’s.“
Greg machte eine Pause. Sherri war wie erschlagen. Noch nie hatte sie von Greg auch nur Andeutungen von dem gehört, was er gerade berichtet hatte.
Da sie nichts sagte, fragte Greg: „Kommt dir das eine oder andere daran nicht bekannt vor?“
„Du meinst, dass wir uns zum Beispiel kaum drei Wochen kannten und du mich schon heiraten wolltest?“
„Zum Beispiel.“
„Du glaubst, du hast sein Verhaltensmuster übernommen?“
„Ich denke schon. Wenigstens zum Teil. Etwa die Art, in der ich mich in meine Arbeit zurückgezogen habe. Meine Mutter hatte sich dafür entschieden, damit zu leben. Bei dir war das anders.“
„Das stimmt“, gab Sherri ohne Bedauern zu. „Weil ich keine Chance sah, dass sich zwischen uns etwas ändert, und ich keine Lust hatte, verheiratet und trotzdem allein zu sein. Nicht körperlich allein, aber mit meinen Gefühlen und Gedanken.“
Greg nickte. „Heute verstehe ich das etwas besser.“ Dann überlegte er kurz. „Lange Rede, kurzer Sinn: Ich glaube, ich habe mich ganz einfach geschämt. Geschämt dafür, dass die Eigenschaften, die ich an meinem Vater so gehasst habe, auch bei mir wieder auftauchen.“
Sherri war zutiefst bewegt. Zu solchen Erkenntnissen zu kommen musste ein schmerzhafter Prozess für Greg gewesen sein. Noch mehr berührte sie, dass Greg bereit war, ja, darauf bestanden hatte, diese Erkenntnis mit ihr zu teilen. Instinktiv griff sie über den Tisch hinweg nach Gregs Hand.
„Donnerwetter! Du hast aber wirklich tief bei dir gegraben. Es muss hart für dich gewesen sein“, meinte Sherri.
„Das kann man wohl sagen. Du hast Max ja nun kennengelernt. Seine Halsstarrigkeit hat er bis heute nicht abgelegt. Das ist auch so ein gemeinsamer Zug von ihm und mir.“
„Wie meinst du das?“
„Erinnere dich. Als du das letzte Mal bei mir warst, hast du mir doch die Gründe genannt, die dich bewogen haben, dich von mir zu trennen. Und ich hätte die Chance gehabt, daran etwas zu ändern. Aber ich habe es nicht getan.“
„Und warum erzählst du es mir jetzt?“
„Weil ich ein Idiot gewesen bin. Sherri, ich vermisse dich so unglaublich, dass ich kaum noch an etwas anderes denken kann. Als du vor sechs Wochen ausgezogen bist, habe ich die ersten Nächte sogar in deinem Zimmer geschlafen, um das Gefühl zu haben, dir näher zu sein. Ich frage dich ganz offen: Hältst du es auch nur entfernt für möglich, dass wir noch einmal von vorne anfangen?“
Nein, das durfte jetzt nicht kommen. Bitte frag mich das nicht, dachte Sherri. Ihr Herz schlug wie wild, und sie merkte, wie sie von Panik ergriffen wurde. Sie hatte Angst – Angst vor einer Wiederholung, vor dem Verlust, vor den Schmerzen.
Greg sah sie aufmerksam an. „Du hast einmal gesagt“, begann er erneut, „dass der Mensch vor seinen Erfahrungen nicht davonlaufen kann, weil sie es sind, die ihn zu dem machen, was er ist. Ich habe mich damit beschäftigt, herauszufinden, wer und was ich bin, und ich muss sagen, es gefällt mir überhaupt nicht, was ich gefunden habe. Was ich mir aber am meisten zum Vorwurf mache, ist, dass ich es zugelassen
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