Im Reich der Feuergöttin
Leben auf den Inseln in ihm, um die Vorherrschaft der Frauen und um die Aufgabe, für die er als Honga auserwählt worden war.
Mythor wußte nicht, woher er letztlich kam und wo er war. Doch es hatte den Anschein, als sollte sein „neues“ Leben im Schatten einer unbekannten Macht beginnen, die ihn aus unergründlichen Motiven heraus lenkte - und als sollte sein Weg mit neuen, gefahrvollen Kämpfen beginnen.
Er versuchte, etwas aus der leise geführten Unterhaltung der Frauen herauszuhören. Sie schienen irgendwelche Geister beschwören zu wollen, um ihn zu wecken.
Mythor tat ihnen den Gefallen noch nicht. Er wußte nicht, wie bald er wieder die Ruhe haben würde, seine Gedanken zu ordnen. So dachte er daran, warum er nach dem sich abzeichnenden Sieg der Kräfte des Lichtes in Logghard stärker denn je den Drang verspürt hatte, die Schattenzone zu überwinden und in die Südhälfte der Welt zu gelangen. Da war als erstes die Aussage des Süders Vangard, derzufolge dieser als Magier alle bösen Einflüsse von der Südhälfte in den Norden gelenkt hatte. Das aber hieß, daß es nur Vangard zuzuschreiben war, daß die Werkzeuge der Finsternis sich über die Lichtwelt ausbreiteten, wenngleich Vangard nur in guter Absicht gehandelt hatte. Es mußte einen Weg geben, diesen Einfluß zu beenden.
Und da war Fronja, die sich irgendwo im Süden in großer Gefahr befand. Mythor mußte sich zwingen, weiterhin ruhig zu atmen und den Schlafenden zu mimen, als er das Gesicht der Angebeteten vor sich sah. Vergeblich forschte er in Hongas Erinnerungen. Auch darin fand er keinen Anhaltspunkt darauf, ob er den Süden erreicht hatte. Ebensogut konnte er sich auf der Nordhälfte der Welt befinden, von der er nur einen winzigen Bruchteil gesehen hatte. Wer konnte schon sagen, wie weit ihn die Flutwelle getragen hatte?
Wie groß war die Macht der Feuergöttin Ramoa? Wußte sie um die Dinge, die den Inselbewohnern verborgen waren? Für Honga gab es ein Ende der Welt dort, wo keine Inseln mehr lagen, und im Süden - bei der „Großen Barriere“, unter der Mythor sich nicht viel vorstellen konnte. Dies aber konnte sowohl nördlich wie südlich der Schattenzone sein.
Es gab keinen anderen Weg als den vorgezeichneten - zumindest vorerst nicht. Mythor atmete tief ein und schlug die Augen auf, entschlossen, die Rolle des Helden zu spielen und zu tun, was von ihm erwartet wurde. Vielleicht mußte er es tun. Vielleicht war es eine Prüfung.
Loanas Gesicht war Mythor so vertraut, als hätte er selbst an Hongas Stelle mit ihr auf dieser Insel gelebt. Auch die anderen Frauen kannte er. Zu seiner Erleichterung stellte Mythor fest, daß ihn Hongas Erinnerungen keineswegs im klaren Denken behinderten oder sein eigenes Ich zu verdrängen suchten. Sie waren ein Rüstzeug, nicht mehr.
„Er ist erwacht!“ flüsterte Artea, die Jägerin, und Loana legte ihre Hand sacht auf Mythors Stirn.
„Gebt mir mein Schwert“, sagte der Sohn des Kometen.
Loana blickte zu Alton hinüber, das eingewickelt in Tücher auf einem Holzschemel lag. Sie zögerte. Mythor streckte die Hand aus.
„Gebt es mir.“
Und Loana reichte es ihm. Mythor zog die Klinge aus den Tüchern und strich liebevoll darüber.
„Es ist ein Wunder!“ hörte er Loana ausrufen. „Er kann es halten, ohne Schaden zu nehmen! Mit dieser Waffe wird er die Abtrünnige im Berg besiegen!“
„Ja“, sagte Mythor, als er sich aufrichtete. „Ja, das werde ich.“
*
Das Fest dauerte bis zum Anbruch des Tages. Viele der Tau-Frauen waren berauscht vom Wein, der in großen hölzernen Gefäßen gereicht wurde und anders als alles schmeckte, was Mythor bisher getrunken hatte. Er spielte seine Rolle, ließ Salbungen und Beschwörungen über sich ergehen und sich anstarren wie ein seltenes Tier. Erst als Loana und drei Helferinnen ihn mit allerlei unnützem Zeug behängen und ankleiden wollten, wehrte er energisch ab.
„Aber das ist die Kleidung der Helden“, sagte die Stammesmutter und hielt ihm mit Fetischen, Tierknochen und Zähnen, Kräutern und Wurzelstücken behangene, viel zu klobige Kleider entgegen. „Du mußt sie tragen.“
„Ich trug sie, als ich zum erstenmal aufbrach“, entgegnete er ruhig. „Und sie behinderten mich. Laßt mich in dem gehen, was ich am Körper trage. Mein Schwert wird mir Schutz genug gegen dämonische Mächte sein.“
Er deutete auf die Hose aus gelb-braun gesprenkeltem dünnem Fell, in der er zu sich gekommen war, und das Oberteil aus dem
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