Im Reich der Feuergöttin
lebte. Sollte er sich ausweinen, wenn es ihm nur half. Mythor blickte sich um und sah, daß er im Moment nicht viel tun konnte. Alles blieb ruhig. Die durch den kurzen Vulkanausbruch gepeinigte Natur, so fremdartig sie auch sein mochte, schien Zeit zu brauchen, um sich zu erholen. Eigentlich wäre dies der rechte Moment gewesen, um weiterzuziehen zum Drachenfelsen. Doch die Krieger brauchten Zeit, um zu Kräften zu kommen. Der Trank mochte den Frauen und Oniak für eine Weile Kraft schenken, aber nicht für immer. Und auch Mythor fühlte sich noch viel zu schwach, um der Feuergöttin gegenübertreten zu können.
Überdies fragte er sich mittlerweile, ob es Ramoa überhaupt noch gab. Viel zu planlos waren ihre Anschläge.
Einem Impuls folgend, nahm Mythor Kaunas Handgelenk und zog sie mit sich von den Kriegern, Oniak und Nura fort, hinter eine Baumgruppe und Büsche, wo sie mit sich allein waren.
Dann, als sie vor ihm stand und ihn überrascht und befremdet anstarrte, konnte er nicht anders. Er wußte, daß Honga dies nicht tun durfte, aber er zog sie an sich heran und küßte sie.
Sie stemmte die Hände gegen seine Brust und löste sich aus seiner Umarmung, sprang zurück und riß das Messer aus dem Gürtel.
„Was fällt dir ein?“ flüsterte sie. „Du vergißt, wer du bist!“
„Honga, ein Held und ein Sklave“, sagte er bitter.
„Kein Sklave! Dein Geist muß verwirrt sein! Wenn du dich paaren willst, hast du dir eine denkbar schlechte Zeit dazu ausgesucht. Du wirst…“
Mythor brachte sie durch eine Geste zum Schweigen.
„Es gibt Länder, in denen andere Gesetze herrschen als auf den Inseln. Ich weiß es, denn ich sah sie. Ich wollte nichts anderes als dir danken, Kauna.“
„Danken?“ Sie lachte unsicher. „Auf diese Weise? Kein Mann hat einer Frau zu danken. Was sie für ihn tut, ist selbstverständlich.“
„Für das, was du für Oniak tatest.“
Kauna winkte barsch ab.
„Oniak muß leben, um mit dir zu kämpfen.“
„Um der Göttin vorgeworfen zu werden!“
Sie wollte auffahren, schwieg aber. Ihre Blicke musterten Mythor. Etwas in ihr schien zu zerbrechen.
„Es muß so sein“, sagte sie. „Honga, ich weiß nicht, was dich zu dem gemacht hat, was du nun bist. Ich… verstehe mich selbst nicht mehr. Jeden anderen Mann, selbst einen Helden, hätte ich für das getötet, was du eben tatest. Ich hätte ihn dafür getötet, mir Befehle zu geben.“
„Warum tust du es jetzt nicht?“
Ihr Schweigen war Kapitulation. Ihre Blicke sagten mehr als alle Worte. Hier stand ein Mann vor ihr, der anders war, der mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie Frauen Befehle gab und daran gewöhnt zu sein schien, daß man sie befolgte. Ein Mann, dessen Rücken wohl nie gebeugt worden war, und der doch Narben von vielen Kämpfen hatte.
Wo? fragten Kaunas Blicke. Woher kam dieser Körper, der Honga von den Göttern gegeben worden war? Wer hatte einst in ihm gelebt, und wo?
Mythor hätte ihr zu gerne geantwortet. Doch es durfte nicht sein. Er brauchte die beiden Frauen, mußte ihnen weiter etwas vorspielen, um sie bei Laune zu halten. Honga hatte den Drachenfelsen nie erreicht. Mauni und ihre Komplizinnen hatten ihn schon vorher umgebracht. Also mußten die Frauen Mythor den Weg zum Vulkan zeigen.
Er sah Kauna an. Sie war kräftig, aber nicht übertrieben männlich. Trotz des Lebens, das sie führte, war sie eine begehrenswerte Frau. Mythor aber wünschte sich nur ihre Freundschaft. Alles andere trat hinter der Erwartung zurück, bald schon Fronja gegenüberzustehen - wenn er sich wirklich auf der Südhälfte der Welt befand.
Freundschaft und Respekt. Und wenn er ihr und Nura schon nicht die Wahrheit über sich sagen durfte, so wollte er doch in allen anderen Belangen ein ehrliches, aufrichtiges Verhältnis zu ihnen.
Vielleicht ahnte Kauna, was in ihm vorging. Sie kam auf ihn zu, das Messer wieder im Gürtel, und streckte ihm den angewinkelten rechten Arm entgegen. Die Hand war zur Faust geballt.
„Ich werde dir keine Fragen stellen, Honga, obwohl ich bis ans Ende meiner Tage darüber rätseln werde, wer du wirklich bist oder auch bist. Ich verdanke dir mein und Nuras Leben.“
Sie hielt ihm den Arm entgegen. Mythor begriff, ahmte die Geste nach und kreuzte die Fäuste mit ihr. Ihre Blicke verschmolzen für die Dauer einiger Herzschläge miteinander.
Dann zog die Tau die Hand zurück und lachte fast verlegen, als ob sie sich der unwirklichen Situation bewußt würde. Mythor empfand nicht
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