Im Reich der Feuergöttin
Seite und schüttelte die Faust gegen den Berg.
„Ramoa…“, flüsterte die Stammesmutter.
„Sie ist nicht mehr Herrin ihrer Sinne“, sagte Artea hart. „Die dämonischen Mächte zehren sie aus und…“
Sie fand keine Worte für das, was sich nicht mehr begreifen ließ. Wenn die abtrünnige Göttin die Macht hatte, die Tau bis auf die letzte Frau zu vernichten, warum begnügte sie sich dann mit Halbheiten? Warum schwieg der Berg jetzt wieder?
Die Tau würden ihre Hütten abermals wiederaufbauen, um dann abermals vor deren Asche zu stehen wie jetzt.
„Nein“, preßte Artea hervor. „Honga wird sie töten.“
Loana blickte sie zweifelnd an.
*
Mythor klammerte sich mit beiden Händen fest. Das Seil erschlaffte, spannte sich wieder und sank in die Tiefe. Mythor sah die Schluchtwand rasend schnell auf sich zukommen, zog die Beine an und stemmte die Füße gegen den Fels, um den Aufprall federnd abzumildern. Unter sich hörte er Schreie. Er wußte nicht, wie viele Tau sich wie er hatten festhalten können. Seine Augen tränten, und beißender Rauch drang in seine Lungen. Hustend hielt er sich mit einer Hand fest, während er mit der anderen nach Vorsprüngen in der Schluchtwand suchte. Das Seil war am anderen Ende der Schlucht gerissen. Noch hielt es hier. Mythors tastende Finger fanden einen Spalt, seine Füße eine schmale Leiste. Er ließ das Seil los und begann zu klettern. Viel zu schnell ließen seine Kräfte nach. Die Glieder wurden schwer wie Blei. Doch alles in Mythor sträubte sich dagegen, hier einen unwürdigen Tod zu finden. Er ertappte sich bei dem Gedanken, daß jene Macht, die ihn nach dem Untergang der Goldenen Galeere aus den Fluten gerettet hatte, ihm auch jetzt wieder zur Seite stehen möge. Doch das war töricht. Er zog sich an Vorsprüngen hoch, kletterte um sein Leben. Bald kontrollierte er seine Bewegungen nicht mehr. Die Hitze war furchtbar. Mythor krallte sich regelrecht in den Fels, als dieser wieder zu schwanken begann und glühende Asche vom Himmel regnete. Er preßte sich fest gegen die Wand, rutschte mit einem Fuß ab und hing für einige schreckliche Augenblicke nur an den Armen, so daß er glaubte, sie müßten ihm aus dem Leib gerissen werden.
Das Beben hörte auf. Mythor fand neuen Halt und setzte den Aufstieg fort. Er wußte nicht, wie lange er sich so bis fast zur Bewußtlosigkeit quälte. Irgendwann griffen seine Hände in warmen, feuchten Boden, fanden Wurzeln, an denen er sich hochziehen konnte. Mit letzter Kraft schob er sich über den Abgrund und blieb schwer atmend am Rand der Schlucht liegen. Der Ascheregen hatte aufgehört. Die Erde beruhigte sich. Das Glühen über dem Vulkan erlosch. Es war vorüber.
Mythor kämpfte gegen die Erschöpfung an. Er sah eine Hand, die sich neben ihm tastend in die Höhe schob, und ergriff sie. Der Krieger sank neben ihm ins Moos, zwei weitere folgten ihm. Mythor fiel ein, daß noch Tau am Seil hängen könnten, und machte sich auf die Suche nach der Stelle, an der es befestigt war, Rauch und Nebel behinderten die Sicht. Er schlug mit den Armen um sich, um ihn zu vertreiben, bis er die Sinnlosigkeit seines Tuns erkannte. Er stolperte mehr als daß er ging, atmete so wenig wie möglich und fand endlich die beiden schweren, zwischen Felsen gerammten Pflöcke, um die das Seilende geschlungen war.
Mythor wollte es zu sich heraufziehen, aber keine Kraft war mehr in seinen Armen. Er mußte frische Luft atmen, wollte er nicht elend ersticken. Ohne Sicht taumelte er ins Pflanzendickicht, das hier bis fast an die Schlucht heranreichte, und bahnte sich nur mit dem Gewicht seines Körpers den Weg, stürzte in Dornenbüsche, richtete sich auf, immer und immer wieder, und ließ sich schließlich einfach fallen, als er glaubte, weit genug von der Schlucht entfernt zu sein. Zwar war noch immer Schwefel in der Luft, aber bis hierher drangen die giftigen Dämpfe aus der Tiefe nicht. Mythor achtete in diesen Augenblicken nicht darauf, wo er lag. Er hatte die Augen geschlossen und atmete, spülte das Gift aus seinen Lungen und seinem Blut. Wieder drohte die Müdigkeit ihn zu übermannen, und wieder kämpfte er dagegen an. Der Gedanke an die Tau, die vielleicht noch hilflos in der Schlucht hingen, brachte ihn schließlich wieder auf die Beine. Er stand nach anfänglichem Schwanken sicher, noch benommen zwar, aber er hatte wieder Macht über seinen Körper.
Ein halbes Dutzend Krieger lagen nun am Rand der Schlucht. Zwei andere
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