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Im Reich der Löwin

Im Reich der Löwin

Titel: Im Reich der Löwin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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der Erzbischof den heißen Gewürzwein die Kehle hinabrinnen ließ, drehte der Bruder des englischen Königs in seinen eigenen vier Wänden nachdenklich einen in geschwungenen Lettern an ihn adressierten Brief in den Händen hin und her. »Wer hätte gedacht, dass Ranulf so schnell reagieren würde«, murmelte John Lackland zufrieden, ehe er das Siegel des Earls of Chester erbrach und die kurze Botschaft überflog. Wie vorhergesehen war der Gemahl Konstanzes gebührend entzückt über die Nachricht, dass seine von ihm getrennt lebende Angetraute den Schutz ihrer Hüter in der Festung von Nantes endlich verlassen und so für ihn erreichbar werden würde. Nur mühsam seine Begeisterung verschleiernd, bat er um weitere Einzelheiten der geplanten Reise seiner Ehegattin, die John ihm nur zu gerne zukommen ließ. Nachdem er Richard of Devizes eine knappe Antwort diktiert hatte, verließ ihn der junge Zisterziensermönch mit einem nicht zu deutenden Ausdruck auf dem Gesicht, um die Antwort des Prinzen dem wartenden Boten zu übergeben. Kaum hatte sich die schwere Tür hinter dem Chronisten geschlossen, trat John an das aufgeregt in der Feuerstelle prasselnde Buchenfeuer und wärmte sich die kalten Hände. Egal wie sehr sein Steward einheizte, das am Ufer der Seine gelegene Gemäuer wollte einfach nicht warm werden! Von Süden her zogen neue schneeschwangere Wolken über die erstarrte Landschaft, während die bleiche Sonne mehr und mehr an Kraft verlor. Nicht mehr lange und es würde erneut anfangen zu schneien.
    Versonnen blinzelnd verschränkte Lackland die klammen Finger, um mit einem durchdringenden Knacken die Gelenke zu lockern. Dann ließ er sich auf einen Stuhl fallen und schloss die Augen. Zwar hatte sein Bruder ihm mit der Klausel des Friedensvertrages von Louviers, die Arthur zum Thronerben ernannte, erneut einen Dolch zwischen die Rippen gestoßen. Doch ließen ihn die Berichte aus Poitiers und die Nachricht des Earls of Chester hoffen, dass sein sorgfältig zurechtgelegter Plan in absehbarer Zukunft Früchte tragen würde. Seinen Spionen zufolge war Berengaria von Navarra dem Gift der Tollkirsche, das er ihr in die Trinkkaraffe gemischt hatte, zwar nicht erlegen. Aber laut der einstimmigen Meinung der heilkundigen Mönche würde sie kein Kind mehr austragen können. Somit war die Gefahr eines direkten Thronfolgers ein für alle Mal vom Tisch! Was Otto anging, war er sich nach den Berichten aus Deutschland immer sicherer, dass die antistaufische Allianz am Niederrhein früher oder später nach dem Sohn Heinrichs des Löwen verlangen würde, um gegen die Politik Kaiser Heinrichs vorzugehen. Und wenn auf Ranulf of Chester Verlass war – wessen er sich beinahe sicher war – dann würde auch der junge Arthur bald kein Hindernis mehr auf seinem Weg zur englischen Krone darstellen. Mit einem tiefen Seufzer angelte er nach einem silbernen Glöckchen und läutete es energisch. Kaum war der helle Ton verhallt, öffnete sich eine niedrige Seitentür und eine vollbusige Magd betrat mit einem wissenden Lächeln den Raum.

London, Ende Januar 1196
     
    Lichterloh schlugen die Flammen in den von der Feuersbrunst orange gefärbten Nachthimmel. Über dem ohrenbetäubenden Knacken und Tosen des Feuers lag vielstimmiges Wehgeschrei, das in einer Welle von den verwinkelten Gässchen der Hauptstadt des Königreiches zu dem von unzähligen Menschen gesäumten Flussufer zu schwappen schien. In kopfloser Panik stolperten Männer, Frauen und Kinder übereinander, um sich entweder in die schwarzen Fluten zu stürzen oder Eimer, Töpfe, Schüsseln und selbst die Rockteile ihrer Nachtgewänder mit dem lebensrettenden Nass zu füllen und dieses auf dem Weg zu ihren brennenden Häusern zu verschütten. Überall gingen Schwache, Schlaftrunkene, Ungeschickte oder von anderen zu Fall Gebrachte zu Boden, wo sie zu Tode getrampelt oder von den gewalttrunkenen Aufständischen erschlagen wurden. Über 50 000 Rebellen hatten diese Nacht dazu auserkoren, sich zu bewaffnen und die Häuser der Reichen und Adeligen aufzubrechen, nachdem eine weitere Steuer selbst die Zaghaftesten unter ihnen davon überzeugt hatte, dass dieser Schritt nicht zu vermeiden war. Wohin man blickte, torkelten mit Beutegut beladene Männer durch die unwirkliche Helligkeit. Und nicht selten tastete sich zuerst der verzerrte Schatten eines Plünderers um die zerstörten Häuserecken, bevor der Feuerschein das Gesicht seines Besitzers preisgab.
    Guillaume of Huntingdon stieß

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