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Im Reich der Löwin

Im Reich der Löwin

Titel: Im Reich der Löwin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Salisbury, dem Regierungsoberhaupt der Insel die Namen und den von ihren Spionen ausfindig gemachten Schlupfwinkel der Rädelsführer der blutigen Unruhen genannt. Woraufhin diese und über fünfhundert ihrer Spießgesellen in einer nebeligen Nacht Anfang Februar von den Regierungstruppen gefangen genommen und zum Teil an Ort und Stelle hingerichtet worden waren. Um das Übel jedoch mit allen Wurzeln auszureißen, hatte Hubert Walter Befehl gegeben, die Anführer unversehrt zu ihm zu bringen, da er sie in einem Schauprozess öffentlich richten lassen wollte. Wenn die Aufständischen sahen, welches Ende denjenigen drohte, die Verrat an der englischen Krone begingen, würden sich auch die letzten der Unzufriedenen mit ihrem Schicksal abfinden, die Waffen in ihren Kellern verschwinden lassen und sich mit dem Leben abfinden, das sie bisher, ohne zu murren, geführt hatten. Sobald die treibende Kraft hinter der Dynamik des Mobs fehlte – so wusste der Justitiar nur zu genau – würde diese verpuffen, ohne einen größeren Schaden angerichtet zu haben. Zwar war es den Aufständischen gelungen, eine erhebliche Anzahl an Häusern aufzubrechen und niederzubrennen. Doch nach einer anfänglichen Welle des Erfolges hatte der Sturmlauf der Plünderer an Wut verloren, da die meisten sich so weit bereichert hatten, dass ihre eigenen Bedürfnisse erfüllt waren. Und da sich der Mensch für gewöhnlich selbst am nächsten war, dachte er, waren nur noch die Idealisten und Fanatiker übrig geblieben. Er lächelte dünn, während er die Reaktion der zum Tode Verurteilten beobachtete.
    Während William FitzOsbern das Urteil mit stoischer Gelassenheit trug, zuckte das stattliche Doppelkinn des achtzehnjährigen Guillaume of Huntingdon verdächtig auf und ab – beinahe als wolle er in Tränen ausbrechen. Dabei war seine Strafe weitaus geringer als die des grauhaarigen FitzOsbern, der direkt im Anschluss an diesen Prozess vor den Mauern des Towers gefoltert und dann gevierteilt werden würde. Auf Befehl Richards hatte Hubert Walter veranlasst, dass der junge Huntingdon nach Frankreich geschafft werden sollte, wo sein Bruder, der Earl of Leicester, über die Art seines Todes bestimmen sollte. Als die bis an die Zähne bewaffneten Wachen auf die Gefangenen zutraten, schien der ohnehin schon aschfahle Junker noch mehr zu erbleichen. Was zur Folge hatte, dass die bartlosen Züge eher denen eines Mädchens glichen als denen eines Edelmannes. »Ihr werdet der Urteilsvollstreckung beiwohnen«, ließ der Justitiar den erschrocken zurückweichenden jungen Mann wissen, der in diesem Augenblick von einem Soldaten grob am Arm gepackt wurde. »Danach werdet Ihr umgehend zur Küste gebracht.« Bevor Guillaume die Worte in ihrer vollen Bedeutung verstanden hatte, wurde er bereits aus dem Gebäude über den Hof gezerrt und durch eines der vielen Tore gestoßen, wo ihm der Jubel der bereits versammelten Schaulustigen entgegenschlug. Wie ein Rudel blutdurstiger Wölfe hatten die Londoner die von der Palastwache abgeschirmte Richtstätte umringt, um kein Detail des grausamen Schauspieles zu versäumen, das ihnen in Kürze den trüben Tag versüßen würde. War das nicht das Gesicht eines der Männer, die Guillaume im Keller der Taverne dabei beobachtet hatte, wie sie mit glänzenden Augen FitzOsbern an den Lippen gehangen hatten? Ein kalter Schauer ließ ihn unter dem dünnen Büßergewand, in das man die Gefangenen gezwungen hatte, zusammenfahren, als eine grauhaarige alte Vettel den zahnlosen Mund öffnete und kreischend forderte: »Verbrennt sie! Verbrennt sie!« Wie gebannt tastete er das Spalier aus schmutzigen, Beschimpfungen schleudernden Männern und Frauen ab, zwischen deren Beinen sich zerlumpte Kinder bis direkt an die Absperrung heranzwängten. Steckte nicht an einigen der Hände, die sich den Verurteilten lüstern entgegenstreckten, geraubtes Geschmeide aus den Häusern der Reichen? Angewidert wandte Guillaume den Blick zu Boden und versuchte, sich auf den eisig auf seine Haut fallenden Nieselregen zu konzentrieren, der innerhalb weniger Momente den abgetragenen Stoff durchdrang und alle Wärme aus seinem zitternden Körper zu vertreiben schien. Das Gebrüll der Menge wurde immer lauter. Und als Guillaume schließlich die Treppe zum Schafott hinaufgestoßen wurde, wo einer der Schergen seine Ketten an einem Schandpfahl befestigte, schienen sich die Zuschauer vor Begeisterung die Kehlen aus den Leibern brüllen zu wollen. Keine fünf Schritte

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