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Im Reich der Löwin

Im Reich der Löwin

Titel: Im Reich der Löwin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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mehr freizugeben schien, enger zusammen und drohte, ihr die Luft zu nehmen. Wenn Berengaria, die sie schon bald nach ihrer Ankunft zu sich hatte rufen lassen, ihr nicht Feder und Pergament besorgt hätte, wäre ihr nicht einmal diese Möglichkeit geblieben, mit ihrem Geliebten Kontakt aufzunehmen. Sie wollte sich gerade mit dem Rücken gegen die Mauer lehnen, als sie die Stimme der englischen Königin im angrenzenden Lustgarten vernahm. Wohlklingend vermischte sich der Sopran der Spanierin mit dem heiteren Gelächter zweier weiterer Frauen, die offensichtlich angeregt mit ihr scherzten und plauderten. Jeanne verließ neugierig den Kreuzgang, raffte die Röcke, um sie nicht mit Schlamm zu beschmutzen, und duckte sich unter einem Durchgang hindurch, der direkt in das Gärtchen führte. Dort, inmitten einer Schar Novizinnen, lustwandelte Berengaria von Navarra an der Seite von Catherine of Leicester und einer hochgewachsenen, flachsblonden Dame, die Jeanne noch niemals zuvor gesehen hatte, und genoss die schwachen Strahlen der Wintersonne.
    »Jeanne!« Kaum hatte sie die Freundin erblickt, löste sich Catherine of Leicester vom Arm der blonden Frau und eilte mit ausgebreiteten Armen auf das Mädchen zu. »Jeanne! Wie schön, dich zu sehen!« Sie strahlte vor Freude. »Wie geht es dir?«, fragte sie und zog die Freundin ohne weitere Worte auf die beiden anderen Frauen zu. »Mylady«, begrüßte Jeanne die Königin. Doch als sie in einen Knicks sinken wollte, winkte Berengaria schmunzelnd ab. »Das können wir uns hier sparen«, stellte sie belustigt fest. »In diesem altehrwürdigen Gemäuer sind wir alle nichts weiter als Töchter Evas.« Erstaunt über die Bitterkeit in der Stimme der Königin hob Jeanne den Blick. Aber Berengaria hatte sich bereits der blonden Dame zugewandt, deren Augen mit unverhohlener Neugier auf dem jungen Mädchen lagen. »Lady Marian«, stellte Catherine vor und hakte sich bei beiden unter. »Sie ist erst vor Kurzem aus England angekommen.« Als Jeanne grüßend den Kopf neigte, setzte sie hinzu: »Robin of Loxley ist ihr Gemahl.« Nachdem so den Höflichkeiten Genüge getan war, setzten die Damen ihren Weg durch den – trotz der winterlichen Kahlheit einladenden – Garten fort und ergingen sich schon bald im Austausch von allerlei Neuigkeiten. Nicht nur sie selbst litt unter der Trennung von ihrem Liebsten, erfuhr Jeanne erstaunt. Auch Berengaria, Catherine und Marian of Loxley hatten nicht allzu viel von ihren Männern, die – so informierte Catherine sie wenig erbaut über diese neue Entwicklung – am Morgen in die Bretagne aufgebrochen waren, um dort eine Rebellion niederzuschlagen.
    »Was?!« Alle Farbe wich aus Jeannes Wangen, als ihr die Bedeutung dieser Worte klar wurde. »Der König ist fort?« Catherine nickte, und sowohl Berengaria als auch Lady Marian richteten fragend den Blick auf die entsetzte junge Frau. »Aber«, hub Jeanne an, ließ den Satz jedoch unbeendet, als sie Verstehen in den Augen der Königin aufblitzen sah. »Das Pergament«, stellte diese ruhig fest und Jeanne nickte errötend. »Zu spät?« Nur unter äußerster Aufbringung aller Beherrschung nickte Jeanne erneut und hielt die Tränen zurück, die ihr in die Augen geschossen waren. Im Gegensatz zu ihrer eigenen Großtante hatte die Königin von Anfang an Verständnis gezeigt für ihre Liebe zu Roland und ihr Mut gemacht, nicht die Hoffnung zu verlieren. »Grämt Euch nicht«, stellte diese fest und legte der Jüngeren beruhigend die Hand auf den Arm. »Sie werden bald zurück sein. Dann könnt Ihr einen zweiten Versuch unternehmen.« Jeanne nickte mutlos und schlug den Blick nieder. »Vielleicht könnt Ihr ihn dann sogar sehen«, ermutigte die Königin sie mit einem Lächeln, das ihr Gesicht in seiner vollen Schönheit erstrahlen ließ. »Richards Launen vergehen oft genauso schnell, wie sie gekommen sind.« Während sich ein schwacher Funke der Hoffnung in Jeannes Herz stahl, setzte Berengaria in Gedanken hinzu: Wenn er nicht noch etwas anderes mit Eurer Bestrafung bezweckt!

London, White Tower, Anfang März 1196
     
    Leise, beinahe schüchtern klirrten die Ketten der beiden Männer, die mit gesenkten Häuptern vor Hubert Walter, dem obersten Justitiar Englands, auf die weißen Steinquader des Bodens starrten, während dieser vor den versammelten Bischöfen und Baronen das von Richard Löwenherz unterzeichnete Urteil verlas. Vor beinahe vier Wochen hatten Hugh of Lincoln und Herbert Poore, der Bischof von

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