Im Reich der Löwin
so sehr aufregen«, warnte sie, während sie mit kräftigen, beruhigenden Strichen über den bebenden Rücken der Schwangeren strich. »Sonst verlierst du dein Kind.« Mit einem gequälten Wimmern grub Catherine die Finger in den Stoff des Obergewandes, an den sie ihre tränennasse Wange gepresst hatte, und weinte leise weiter. Der sich deutlich unter ihrem Bliaud abzeichnende Bauch wirkte trotz der Tatsache, dass ihr noch mehr als drei Monate bis zur Niederkunft blieben, als wolle das Kind jeden Moment ans Licht der Welt drängen. Was Marian dazu veranlasste, prüfend die Handfläche auf Catherines Leib zu legen, um sich zu versichern, dass sich die Krämpfe dort nicht zu ungewollten Wehen auswuchsen. Stunden schienen zu vergehen, ehe sich das Zittern endlich legte und Catherine den Blick der geschwollenen Augen zu ihren beiden Begleiterinnen hob, um mit belegter Stimme zu fragen: »Was soll ich nur tun? Ich kann ihn doch nicht alleine lassen!« So viel Schmerz und Furcht sprachen aus diesen Worten, dass Jeanne, die Catherine eine verirrte Strähne aus der Stirn strich, die Kehle eng wurde. »Bete zu Gott«, riet sie. »Das wird dir über die schwersten Stunden hinweghelfen«, setzte sie hinzu, als erneut Tränen in Catherines Augen traten. »Es ist nur eine Fleischwunde«, fiel Lady Marian mit ein. »Das hat doch der Bote gesagt, nicht wahr?« Hilfe suchend wandte sie sich an Jeanne, die bestätigend nickte. »Ja, sie ist zwar tief, aber es sind keine Organe verletzt«, rief sie sich den Wortlaut der Nachricht in Erinnerung. »Und die Gefahr des Wundbrandes ist auch gebannt.« Sie drückte die klamme Hand der Freundin und legte den Arm um deren immer noch bebende Schultern.
»Wenn ich mir keine Sorgen machen muss, warum hat der König dann einen Boten gesandt?«, fragte diese nach einigen Augenblicken des Schweigens tonlos und rang um Atem, da Furcht und Panik erneut drohten, ihr die Luft abzuschnüren. »Er wollte dich nur darüber informieren, dass Harold sich bereits auf Château Gaillard befindet«, mutmaßte Lady Marian. Vielleicht will er damit erreichen, dass du Berengaria davon überzeugst, so schnell wie möglich dorthin aufzubrechen, setzte sie in Gedanken hinzu. Doch so viel Niedertracht wollte sie selbst Richard Löwenherz nicht unterstellen. Mit den Ängsten und Gefühlen einer jungen Frau zu spielen, um eine andere zu manipulieren?! War er einer solchen Tat wirklich fähig? Sie wusste es nicht, folglich blieb nur die Logik und diese diktierte ein besonnenes Vorgehen. »Es wird das Beste sein, wenn du dem Mann eine Nachricht an Harold mitgibst«, stellte sie sachlich fest und legte den Zeigefinger unter das Kinn der verunsicherten Freundin, um sie dazu zu zwingen, sie anzusehen. »Wir werden ohnehin bald dorthin aufbrechen«, stellte sie mit einem nicht zu unterdrückenden Glanz in den grauen Augen fest. Dann würde auch sie ihren Gemahl wiedersehen! »Und bis dahin solltest du tun, was Jeanne gesagt hat, und Gott darum bitten, Harold zu beschützen.« Ihre Stirn legte sich in Falten. »Wenn es ihm gut geht, wird er auf deine Nachricht antworten«, fügte sie hinzu und hoffte, dass sie recht behielt mit dieser Vorhersage. Niemals würde sie es sich verzeihen können, wenn sie die Freundin dazu überredet hätte, Ruhe zu bewahren, während ihr Gemahl mit dem Tode rang. Doch die Botschaft war zwar ernst, aber nicht besorgniserregend gewesen: Ein feindliches Schwert hatte Harold die Seite von der Achsel bis zur Hüfte aufgeschlitzt. Allerdings hatte sich dem Bericht zufolge der Heiler des Königs gegen die althergebrachten Lehren gestellt und, anstatt die Wunde auszubrennen, die Haut mit einem dünnen Faden zusammengenäht, sodass die Ränder nicht aufklaffen und sich folglich nicht entzünden konnten. Was ihren Gemahl – so hatte der Bote versucht, Catherine zu beruhigen – vor dem tödlichen Wundbrand bewahrt hatte. »Komm«, schlug Marian schließlich vor, als sich trotz der frühlingshaften Wärme eine Gänsehaut über Catherines Arme legte. »Ich bringe dich hinein. Du solltest dich ein wenig ausruhen.«
Während die Umrisse der beiden jungen Frauen mit dem Schatten des Kreuzganges verschmolzen, schlug Jeanne, die sich am Eingang zu dem privaten Teil der Klosteranlage von den beiden Frauen verabschiedet hatte, die entgegengesetzte Richtung ein, um noch ein wenig die Sonne zu genießen, ehe sie sich zuerst zur Vesper und danach zum Abendessen ins Refektorium begeben musste. Den Bewohnerinnen des
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