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Im Reich der Löwin

Im Reich der Löwin

Titel: Im Reich der Löwin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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erzwungene Vermählung ihr abverlangen würde. Würde sie es dieses Mal ertragen, dass ein Wildfremder ihren Körper mit seiner Berührung beschmutzte? Sie würgte trocken. Und würde sie diesem Gemahl die gehorsame Gattin sein können, die Richard Löwenherz dem Sieger des Turniers zweifelsohne versprechen würde? Bevor sie sich weiter in düstere Vorausblicke hineinsteigern konnte, vernahm sie das Drehen des Schlüssels in dem rostigen Schloss. »Die Königinmutter hat Befehl gegeben, Euch auf die Tribüne zu bringen«, informierte ihre Zofe sie schüchtern. Auch wenn der Schaukampf erst am frühen Nachmittag beginnen würde, strömten bereits die ersten Adeligen und ihre Angehörigen auf den Turnierplatz, um sich die besten Plätze zu sichern. »Die Kämpfer dürfen Euch nicht zu Gesicht bekommen«, setzte das Mädchen leise hinzu, ehe sie Jeanne sanft am Arm fasste, ihr von der Kniebank aufhalf und sie in Richtung Ausgang davonführte.
     
    ****
     
    »Ich kann es immer noch nicht glauben«, stellte Catherine of Leicester – die sich erstaunlich schnell von ihrer Niederkunft erholt hatte – fassungslos fest, während sie Berengaria von Navarra in Richtung Hof folgte. Ihr zehn Tage alter Sohn Alan befand sich bei der Amme, die seinen gierigen, zahnlosen Gaumen besser befriedigen konnte, als die junge Mutter. Neben ihr selbst und der Königin befanden sich Lady Marian, Isabel de Clare und ihr Gemahl, William Marshal sowie Harold of Leicester und Robin of Loxley auf dem Weg zu der überdachten Tribüne. Auf dieser wimmelte es bereits von kunterbunten Gewändern und Kopfputzen. Der Himmel, der sich nach Auflösung des Frühnebels am späten Vormittag mit leichten Schleierwolken überzogen hatte, erstrahlte dank des inzwischen aufgekommenen, schneidenden Westwindes wieder in sattem Indigoblau. Die immer noch kraftvolle Herbstsonne malte ein verwirrendes Muster aus Licht und Schatten auf die bisher noch verwaist daliegende Turnierwiese. Das Rascheln des Laubes verwischte die Unterhaltungen ihrer Vordermänner und -frauen, was dazu führte, dass Catherine mutiger als sonst das Wort ergriff. »Ich dachte, Jeannes demütige Unterordnung hätte sie beschwichtigt«, fauchte sie mit einem Seitenblick auf Aliénor von Aquitanien. Diese steuerte am Arm ihres Sohnes, des Prinzen John, auf den für die Königsfamilie reservierten Aufgang zu. »Warum tut sie ihr das an?« Mit einem Stirnrunzeln zuckte Berengaria von Navarra die Schultern. Aber auch ihr Blick wanderte zu dem von einem schweren Vorhang abgetrennten Teil der Loge, hinter dem sie alle den Preis des Turniers vermuteten. »Ich weiß es nicht«, erwiderte sie. »Aber ich habe den Eindruck, dass es etwas mit ihrer allmählich übertriebenen Frömmigkeit zu tun hat.« Einige Augenblicke schlenderten sie schweigend weiter durch das immer dichter werdende Gedränge, bevor Catherine hitzig hervorstieß: »Ich hoffe, Roland gewinnt den Kampf!«
    Da sie der Königinmutter und ihrem Sohn immer näher kamen, verstummte das Gespräch. Und selbst der Zorn über die Ungerechtigkeit und Grausamkeit des Königs und der Herzogin von Aquitanien konnte die Damen nicht lange davon abhalten, dem Bann des Spektakels zu erliegen. Während ein Musikantentrio nahe der Königsloge begann, einen bunt gewandeten Sänger mit Schalmei, Laute und Trommel zu begleiten, bahnten sie sich einen Weg durch die Menge. Schließlich erreichten sie die Tribüne, an deren Vorderseite die Wappen der Edlen die für sie vorgesehenen Sitzplätze anwiesen. Hoch über den Köpfen der Schaulustigen ragte die Hauptfestung auf, in deren Mitte der Wohnturm prangte. Auf den Zinnen warfen die Helme der stets wachsamen Armbrustschützen das Sonnenlicht gleißend zurück.
     
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    Hinter den Damen stieß Harold of Leicester Robin of Loxley wenig sanft in die Seite und brummte: »Ich dachte, du hättest Besserung geschworen?« Die Belustigung, die in seinen Augen aufblitzte, kaschierte nur kurz den Ärger darüber, dass der Freund ungeniert und mit offenem Mund der Tochter des Earls of Northumberland hinterhergaffte, die soeben am Arm ihrer Mutter die Treppen erklomm. »Was?«, stammelte Robin, dessen Gesicht sich mit einer flammenden Röte überzog. »Du solltest deine Gedanken besser im Zaum halten«, riet Harold mit einem Kopfschütteln. Er wandte sich von dem beschämt zu Boden blickenden Robin of Loxley ab, um Wilfred of Ivanhoe und dessen Gemahlin zu begrüßen. »Wir sind alle gespannt«, teilte William

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