Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Reich der Löwin

Im Reich der Löwin

Titel: Im Reich der Löwin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
Vom Netzwerk:
Wollt Ihr diese Wahl annehmen?« Einen Augenblick lang wirkte der Angesprochene, der als einer der obersten Richter des Landes dem Hochadel angehörte, überrascht und ein wenig besorgt. Doch als sich ein Augenpaar nach dem anderen erwartungsvoll auf ihn richtete, straffte er die Schultern und nickte langsam. »Ich nehme die Wahl an.« Mit einem zufriedenen Lachen klopfte Geoffrey of York dem Adeligen auf die Schulter und trompetete wenig feierlich: »Da wird sich mein Bruder aber umsehen!«

Château Gaillard, Ende September 1197
     
    »Was ist los mit dir?« Trotz der Sanftheit seiner Stimme konnte der Barde Blondel seine Sorge nur schlecht vor seinem Liebhaber, der mit leerem Blick an die Decke starrte, verbergen. Obgleich Richards Hand nach dem vorangegangenen Liebesspiel heiß und feucht auf einer der wohlgerundeten Hinterbacken des Dichters ruhte, vermochte dieser die Kälte, die den König in letzter Zeit immer weiter aufzufressen schien, deutlich in den überschatteten Augen zu lesen. »Dir bereitet doch etwas Kopfzerbrechen.« Mit leisem Bedauern stemmte er sich auf einen Ellenbogen, was zur Folge hatte, dass Richards Pranke auf die zerwühlten Laken glitt, wo sie wie leblos liegen blieb. »Willst du darüber sprechen?« Einige Atemzüge lang hob und senkte sich die mächtige Brust des Königs schwer, bevor Löwenherz mit einem Seufzer die Hände hinter dem Kopf verschränkte und Blondel beinahe traurig anblickte. »Es ist nur eine Laune«, sagte er resigniert und starrte verdrossen auf seine erschlaffte Männlichkeit, die in letzter Zeit immer mehr Überredung zu benötigen schien, um sich in das zu verwandeln, dessen er sich jahrelang gebrüstet hatte. Sollte die Zähigkeit, die sich in sein Liebesleben eingeschlichen hatte, etwas mit seinem vierzigsten Geburtstag zu tun haben?, fragte er sich übellaunig, verdrängte den Gedanken jedoch augenblicklich, da er ihm eine vorher unbekannte, ohnmächtige Furcht einjagte, die ihn zu entmannen drohte. Je mehr er darüber nachdachte, desto größer schienen die Probleme zu werden!
    »Es gibt eigentlich keinen Grund«, setzte er hinzu und schalt sich zum tausendsten Mal seit dem ersten Auftreten der wie eine ansteckende Krankheit wiederkehrenden Depression einen Narren. Nach der Gefangennahme durch Balduin von Flandern, der sich zurzeit auf Pilgerfahrt in Canterbury befand, hatte Philipp von Frankreich geradezu um einen Waffenstillstand gebettelt. Die Thronfolge war geklärt. Daran hatte auch die Ankunft des jungen Arthur Plantagenet nichts ändern können, der mit seiner aus der Gefangenschaft befreiten Mutter vor wenigen Tagen auf Château Gaillard eingetroffen war, um Richard die Treue zu schwören. Und auch die Zukunft seines Neffen Ottos von Braunschweig schien durch den unvermuteten Tod Kaiser Heinrichs in Messina heller zu leuchten, als Richard es sich jemals hätte erträumen lassen. Da der Sohn des verstorbenen deutschen Kaisers noch nicht einmal drei Jahre zählte, hatte die anti-staufische Allianz in Deutschland nach einem Gegenkandidaten zu dem von den Staufern zur Königswahl vorgeschlagenen Bruder des Kaisers, Philipp von Schwaben, verlangt. Woraufhin Richard Löwenherz ohne Umschweife Otto vorgeschlagen hatte. Durch den als Folge seiner Gefangennahme erzwungenen Lehenseid gegenüber Heinrich VI. war Richard einer der einflussreichsten Vasallen der deutschen Krone. Was ihm ein gewichtiges Mitspracherecht in dieser heiklen Frage garantierte. Sollte sich Otto als Gegenkandidat der niederrheinischen Allianz gegen Philipp von Schwaben durchsetzen, hätte dies eine erhebliche Machtausdehnung des englischen Königs und eine Verschärfung des Zangengriffes auf Frankreich zur Folge. Was also bedrückte ihn?! Sicherlich nicht die zwar lästige, aber keineswegs besorgniserregende Nachricht aus England, dass sich die Bischöfe weigerten, ihm den geforderten Eliteverband aus 300 Rittern zur Verfügung zu stellen! Wenn sich dieser Streit nicht anders lösen ließ, würde er eben gute Miene zum bösen Spiel machen müssen und Hubert Walter als päpstlichen Legaten durch Geoffrey FitzPeter ablösen lassen. Was kümmerte ihn dieses Machtspiel, das deutlich die Handschrift seines Halbbruders, des Erzbischofs von York, trug? Eigentlich war der Zank eher amüsant als lästig, auch wenn er seine Amtsträger in England mit dem Befehl der Konfiskation des bischöflichen Besitzes offenbar in Zugzwang gebracht hatte. Diese Hasenfüße! Als ob Hugh oder sein Bruder Geoffrey

Weitere Kostenlose Bücher