Im Reich der Löwin
Marshal den beiden soeben mit. »Ich würde meinen Stammsitz auf Mercadier verwetten«, scherzte er. »Wenn Isabel es mir gestatten würde.« Das schallende Gelächter, mit dem die anderen Männer diesen Kommentar quittierten, übertönte beinahe das Fanfarensignal, das die unmittelbar bevorstehende Ankunft des Königs verkündete. »Ich denke, wir sollten unsere Plätze einnehmen«, schlug Ivanhoe vor und lud Harold und Robin mit einer Handbewegung ein voranzugehen.
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Während sich das Getümmel der Schaulustigen mit der Zähigkeit von Pech entwirrte, klopfte Henry Plantagenet seinem Bruder aufmunternd auf die Schulter. Dieser zurrte mit nervösen Fingern an der Kopf, Hals und Rücken bedeckenden Covertiure seines Apfelschimmels. Henry raunte ihm ins Ohr: »Ich habe einige von ihnen kämpfen sehen. Mach dir keine Sorgen.« Er zögerte einen Augenblick, bevor er hinzufügte. »Der einzige wirkliche Gegner ist Mercadier. Nimm dich vor ihm in Acht. Er ist hinterhältig.« Roland, dessen gewöhnlich braun gebranntes Gesicht aschfahl war, nickte betäubt. Alsdann ignorierte er den Bruder jedoch, um zum wohl hundertsten Mal Schild, Lanze und Schwert zu überprüfen. Den neuen Waffenrock, den er über dem schweren Kettenpanzer trug, schmückte ein viergeteiltes Wappen, in dessen beiden diagonal gegenüberliegenden Ecken der Löwe der Plantagenets im Sprung eingefroren war. Die anderen beiden Ecken blitzten noch weiß und jungfräulich. »Das mag sich sehr wohl ändern, wenn du den Kampf gewinnst«, hatte Richard ihm nach dem Ritterschlag geheimnisvoll anvertraut. Was Roland hoffen ließ, dass ihm die Gunst, die er im Falle eines Sieges von Löwenherz erbitten wollte, gewährt würde. Während seine Hände mechanisch die geübten Griffe ausführten, schweiften seine Gedanken zu der Zeremonie ab, in deren Verlauf er – zusammen mit einem halben Dutzend weiterer Knappen – in den Ritterstand erhoben worden war. Noch immer überkam ihn ein Prickeln, wenn er an den Moment zurückdachte, an dem der König seine Schulter leicht mit der Schwertspitze berührt hatte, ehe er ihm Schwertgurt und Sporen sowie den neuen Waffenrock überreicht hatte. Wort für Wort erinnerte er sich an den Schwur, den er seinem Halbbruder geleistet hatte. Das Versprechen, mutig, tapfer und großzügig zu sein, Verrat und üble Taten zu meiden und seinem König treu und gehorsam zu dienen. Wie sehr er hoffte, diese Zusagen einhalten zu können!
»Ihr könnt Euch die Schande einer Niederlage ersparen, wenn Ihr gleich aufgebt«, riss ihn die heisere Stimme seines gefährlichsten Widersachers aus den Gedanken. »Dann kommt Ihr vielleicht mit dem Leben davon.« Dem breiten Feixen auf den harten Zügen des Hünen gelang es nicht, den schwarzen Augen, die ausdruckslos auf seinem Gegenüber lagen, Leben zu verleihen. Während Roland sich für einen Kettenpanzer entschieden hatte, bedeckte die Schultern des Normannen eine auf Hochglanz polierte Rüstung. Da Roland seit der Bestrafung durch Mercadier ohnehin Schwierigkeiten hatte, seinen Hass auf den Söldnerführer im Zaum zu halten, blinzelte er ein paar Mal, schluckte mit zusammengebissenen Zähnen eine Erwiderung und kehrte dem Ritter den Rücken, um den Sitz seines Sattelgurtes zu überprüfen. Durch William Marshal, der sich mit erstaunlicher Hingabe seiner Turniervorbereitung angenommen hatte, war er vor solchen Provokationen gewarnt worden. Mit Beleidigungen und Wortgefechten wollten sich einige der Kämpfer vor Beginn des Lanzenstechens einen Vorteil verschaffen, indem sie den Gegner zur Weißglut trieben. Denn, so hatte William Marshal ihn ermahnt, wer blind vor Zorn in den Zweikampf ritt, hatte diesen so gut wie verloren. Mit verspannten Schultern zupfte er an den Ohren seines Schlachtrosses, die durch die dafür vorgesehenen Aussparungen der Covertiure staken, und tätschelte dem Tier die Nase – mehr um sich selbst zu beruhigen als den Wallach. »Die Kleine ist zwar ganz gewiss keine Jungfrau mehr«, höhnte Mercadier weiter. »Aber auf alten Gäulen lernt man das Reiten.« Er lachte kehlig. Entgegen allen guten Vorsätze wirbelte Roland zu ihm herum und fragte verächtlich: »Wovon um alles in der Welt redet Ihr?« Zuerst schien es, als wolle Mercadier erneut lauthals herausplatzen. Doch als er des Ausdrucks auf den Zügen des jungen Mannes gewahr wurde, fiel die Heiterkeit von ihm ab wie eine Maske. »Sagt nur, Euer Bruder hat Euch verschwiegen, welch wundervoller Preis den Sieger
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