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Im Reich der Löwin

Im Reich der Löwin

Titel: Im Reich der Löwin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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verheerenden Niederlage bei dem keine acht Meilen nördlich von Vendôme gelegenen Fréteval hatte Philipp von Frankreich – dem es nach der fehlgeschlagenen Belagerung von Rouen schließlich gelungen war, die Engländer einzuholen – zum zweiten Mal in kürzester Zeit wie ein geprügelter Hund die Flucht ergriffen. Was zusammen mit dem Verlust seines Trosses und der Nachhut seinem Ruf entschieden geschadet hatte. Anstatt nach der Niederlage von Rouen den Erfolgslauf seines Widersachers zu stoppen, hatte Philipp so noch Öl auf Richards Feuer gegossen. Denn zu der nicht unbeträchtlichen Beute hatte auch eine Liste mit den Namen der unzähligen Überläufer gehört. Als Antwort auf diese Schmach war Richard zornentbrannt nach Aquitanien gestürmt, um die rebellischen Barone niederzuwerfen und die Autorität im Herzogtum seiner Mutter wiederherzustellen.
    Da Philipp von Frankreich sich daraufhin in die Nähe von Paris zurückgezogen hatte, um seine Wunden zu lecken, konnte sich der englische König dieses kurze Intermezzo leisten. Innerhalb eines einzigen Abends war die letzte Festung im Herzen Aquitaniens gefallen, und nach einem kaum zweiwöchigen Feldzug hatten sich sowohl der Graf von Angoulême als auch dessen Verbündeter Gottfried von Rancon den Engländern ergeben und Richard Löwenherz die Treue geschworen. Dank der Solidarität, welche der Großteil seiner Untertanen immer noch für Löwenherz empfand, hatten sich die meisten Städte und Befestigungen kampflos ergeben. Und es hatte nicht lange gedauert, bis die Rebellen sich an die Ufer der Charente zurückgedrängt gesehen hatten. Als wäre dies nicht genug, befanden sich Gerüchten zufolge Eilboten von dem am Ende seiner Kräfte angelangten Philipp auf dem Weg in den Süden, um Richard Löwenherz einen Waffenstillstand anzubieten.
    Müde wischte sich Roland den Schweiß von der Stirn, nachdem er Lanze, Schwert und Kettenpanzer gereinigt und geölt hatte, damit diese nicht rosteten, und bedachte Humphrey mit einem säuerlichen Blick. Die trotz der brennenden Sonne stets weiße Haut des Knaben war vor Anstrengung leicht gerötet. Den schmalen Mund umspielte ein schwer zu deutendes Lächeln, als er sich mit einem Schulterzucken bei Roland entschuldigte und die Lanze in die dafür vorgesehene Halterung bugsierte. Vermutlich war Rolands Misstrauen unbegründet und unangebracht. Und doch nagte seit dem Unfall ein nicht genau festzumachender Verdacht an ihm. War es nicht Humphrey gewesen, der sich die Tage vorher um sein Sattelzeug gekümmert hatte? Und hatte er nicht so etwas wie Enttäuschung in den Augen des ehrgeizigen Knaben gelesen, als er aus der tiefen Ohnmacht erwacht war und dieser, wie von glühenden Kohlen verbrannt, von Rolands Lager zurückgewichen war? Grübelnd zupfte er die letzten Disteln aus dem Schweif seines Schimmels und wandte sich zum Gehen, um wie die anderen an der Feier im Burghof teilzunehmen. Um ein übermannshohes Feuer in der Mitte des Innenhofes tanzten und grölten bereits Dutzende von siegestrunkenen Männern, die sich bereitwillig die lachenden Mädchen zureichten, um diese in wildem Tanz um die lodernden Scheite zu wirbeln. Drei riesige Ochsen brieten in sicherer Entfernung an einem langen Spieß und Bier und Wein flossen bereits in Strömen.
    »Kommst du?«, fragte Henry, der schon längst fertig war mit Robin of Loxleys Pferd, und der sein geliebtes Halbpony inzwischen schweren Herzens gegen eine Stute eingetauscht hatte, die er mit einem liebevollen Klaps auf die Hinterhand in ihre Box verabschiedete. Die schlanken Glieder des Knaben hatten sich in den vergangenen Monaten gestreckt und der vormals mädchenhaft wirkende Gang war der Geschmeidigkeit einer Raubkatze gewichen. Innerhalb weniger Wochen war Henry in die Höhe geschossen, sodass er Roland inzwischen beinahe überragte. »Ivanhoe spielt heute Abend die Laute«, ließ er den Bruder mit Begeisterung in den Augen wissen. Da Robin of Loxley seinem Ideal des Artusritters nicht gerecht geworden war, hatte er sich kurzerhand einen anderen Helden gesucht, den er in seinem inzwischen beinahe fünfzigseitigen Epos besingen konnte. Der dickköpfige Wilfred of Ivanhoe war nicht nur ein begnadeter Kämpfer, er hatte auch einen Bass, der die Damen scharenweise in Verzückung geraten ließ. »Und es gibt frischen Beerenwein!« Mit einem Schmunzeln verstaute Roland die Waffen in der Waffenkammer, versicherte sich, dass Sattel- und Zaumzeug eingefettet waren, und nickte Humphrey

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