Im Reich der Vogelmenschen
Radioröhre … an unserem Bug. Die Schweißmasse, oder was immer er benutzte, brauchte sicher ihre Zeit, um wirksam zu werden.«
Jones-Gordon knurrte Zustimmung. »Klingt vernünftig«, sagte er. »Er nahm ein ziemliches Risiko auf sich.« Nach einer Weile fügte er hinzu: »Ich denke, wir haben ihn nicht zum letztenmal gesehen.«
In der Dunkelheit musterte Kenlon seinen Kommandanten scharf. Er hatte Jones-Gordon immer für einen nüchternen, keiner Phantasie zugänglichen Menschen gehalten. Jetzt war er verblüfft über die Anpassungsfähigkeit des Offiziers. Seine frühere Meinung, daß Jones-Gordon eine alberne Frage gestellt habe, hatte nicht die Tatsache in Rechnung gestellt, daß von einem Kommandanten erwartet wurde, er werde nichts unversucht lassen, um das ihm anvertraute Schiff zu schützen. In diesem besonderen Fall kam hinzu, daß er dafür zu sorgen hatte, daß keine andere Macht sich Angaben über Bau oder technische Leistungen des U-Bootes zu verschaffen vermochte, solange es unter seinem Kommando stand.
»Haben Sie einen Vorschlag, Mister Kenlon?« fragte Jones-Gordon.
Kenlon zuckte die Achseln. »Wir müssen diese Röhre vom Bug lösen. Das ist die dringlichste Forderung. Ferner schlage ich vor, das Deck während der ganzen Nacht patrouillieren zu lassen. Es wäre großartig, wenn es uns gelänge, den Burschen lebend zu erwischen. Andernfalls« – seine Lippen verzogen sich zu einem trockenen Lächeln – »würden wir besser jede Meldung über das, was wir sahen, unterlassen.«
Lieutenant Commander Jones-Gordons Stimme kam aus der Nacht. »Ich verstehe vollkommen, was Sie meinen, Leutnant. Ich …«
Er brach ab und rief scharf: »Was gibt es, Munson?«
»Ich soll Ihnen von Paley melden, Sir, daß der Schneidbrenner völlig wirkungslos bleibt. Er greift weder das verdammte Ding, noch das Metall ringsum an. Paley möchte wissen, was er tun soll, Sir.«
Langsam schlichen die Nachtstunden dahin. Die »Seeschlange« hatte wieder ihre gewohnte Marschgeschwindigkeit aufgenommen. Das Wasser zischte, die Turbinen arbeiteten dumpf. Kenlon hielt nach Spalten in der Wolkendecke Ausschau, aber die Dunkelheit blieb, und Reichert, nur knapp fünf Fuß entfernt, war nur als dunklerer Schatten zu erkennen. Was die Männer betraf, die an Deck patrouillierten …
Kenlon ballte die Fäuste. Er hatte ebensowenig wie Jones-Gordon den Wunsch, die Scheinwerfer einzuschalten, aber es hätte ihm Erleichterung bedeutet, den schlanken Rumpf der »Seeschlange« in seiner ganzen blitzenden Länge zu sehen.
»Mister Kenlon.«
Kenlon zuckte zusammen. Er hatte den Commander nicht durch das Turmluk steigen hören.
Er grüßte und nahm Haltung an. »Ja, Sir?«
Jones-Gordon näherte sich und stützte sich neben Kenlon auf die Reling. Mit gedämpfter Stimme sagte er: »Ich habe über Ihren Vorschlag nachgedacht, ein Flakgeschütz zu demontieren und uns mit seiner Hilfe von dem lästigen Fremdkörper am Bug zu befreien. Die Antwort lautet ›Nein‹. Ich werde Ihnen sagen warum.«
Schweigend wartete Kenlon.
Der andere fuhr fort: »Die ›Seeschlange‹ ist von unersetzlichem Wert. Jede Vorsorge muß getroffen werden, sie ohne jede Beschädigung in den Heimathafen zurückzubringen. Aber was geschehen ist, ist ohne Parallele. Überlegen Sie – ein Mensch, der mit seinen eigenen Flügeln fliegt!«
Kenlon hatte eine Stunde Zeit gehabt, sich mit dieser Vorstellung vertraut zu machen. Er sagte nichts, zollte aber seinem Kommandanten neuen Respekt für den Mut, das anscheinend Unmögliche als gegeben hinzunehmen.
»Bill, fragen Sie sich selbst – was würde geschehen, wenn wir alle nach der Rückkehr eidesstattliche Aussagen zu dieser Sache machten? Man würde uns glauben, dessen bin ich jetzt sicher. Drei Offiziere des neuen Super-U-Bootes, des Stolzes der Navy, können kaum in den Verdacht geraten, zu gleicher Zeit den Verstand verloren zu haben. Nehmen wir also an, wir kehrten mit diesem Gebilde am Bug zurück und man nähme uns unsere Geschichte ab – wissen Sie, was dann geschehen würde?«
Kenlon hatte eine ziemlich klare Vorstellung davon. Er sagte:
»Die Wissenschaftler würden schwerstes Geschütz gegen Sie auffahren, Sir. Man würde Sie als typischen Seemann ohne schöpferische Einbildungskraft hinstellen, als abschreckendes Beispiel für die Nachteile stumpfsinnigen Gehorsams. Natürlich würden diese Vorwürfe durch das Oberkommando entkräftet werden, das Ihnen den Rücken stärken muß, indem es Ihnen
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