Im Reich der Vogelmenschen
es kein Zögern mehr. »Steuermannsmaat Reichert«, befahl er, »übergeben Sie die Steuerung an den Kontrollraum.«
»Steuerung an den Kontrollraum. Aye, aye, Sir.«
Nachdem Reichert nach unten gegangen war, ließ Kenlon das Turmluk herabsinken und betätigte den elektrischen Schließmechanismus. Dann schwang er sich auf das Deck herab. Er rief:
»Leutnant Tedders, feuern Sie, sobald Sie fertig sind. Feuer!«
Ein roter Blitz stieg gegen die dunkle See auf. Scharf und laut übertönte die Explosion das gedämpfte Arbeiten der Turbinen.
Das Geschütz klirrte metallen unter dem Rückstoß und kippte um. Die Männer machten sich daran, es wieder aufzurichten, während Tedders die »Röhre« mit seiner Taschenlampe anleuchtete.
»Fehlschuß!« knurrte er heiser.
Kenlon trat näher. »Kein Fehlschuß. Ich sah das Geschoß leicht steuerbord ins Wasser zischen. Es wurde abgelenkt.«
Und er dachte dabei: Es ist unmöglich – nichts kann so hart sein!
Eifrig wandte er sich um. »Beeilen Sie sich. Diesmal werde ich selbst feuern. Sind Sie sicher, daß die Geschosse scharf gemacht sind?«
Er wartete die Antwort nicht ab. Fast fühlte er die drei Granaten das Ziel treffen. Weit nach Steuerbord sah er drei Spritzer aufsteigen. Dann fiel das Geschütz um. Er rief den Männern zu:
»Noch einmal! Richten Sie das Geschütz wieder auf!«
Zu Tedders sagte er: »Die Erschütterungen werden, wie ich hoffe, wenigstens den Mechanismus in Unordnung bringen. Wir…«
Er hatte mit Tedders hinter den schwitzenden, keuchenden Besatzungsmitgliedern Posten bezogen. Und sah Skelette vor sich, die sich bewegten. Das Licht aus der Röhre durchdrang die Männer.
Aber diesmal erlosch es nicht.
Der grelle Schein aus der Röhre durchdrang ihre Körper, das Metall des Geschützes, das stählerne Deck. Es war weiße Glut, so intensiv, daß Kenlon fürchtete, seine Augen würden verbrennen. Instinktiv hob er die Hände, um sich zu schützen. Er hatte noch Zeic, deutlich die Knochen seiner Arme und Hände zu erkennen. Und dann …
Dann kämpfte er keuchend, dem Ersticken nahe, in der unergründlichen Tiefe warmen Wassers.
4
Kenlon hielt den Atem an. Seine Kehle brannte von dem Wasser, das er geschluckt hatte, Hustenreiz quälte ihn, er hatte das Gefühl, daß seine Lungen platzen müßten. Während der ganzen Zeit spürte er, wie er der Wasseroberfläche entgegengetragen wurde. Mit krampfhaften Schwimmstößen begann er nachzuhelfen.
Was war geschehen? Was konnte geschehen sein?
Wie ein Geschoß, das den Lauf verläßt, durchbrach er den Wasserspiegel. Er reckte die Arme, sog keuchend die Luft in seine Lungen. Hustenanfälle schüttelten seinen schmerzenden Körper. Mühsam versuchte er, den Kopf über die schäumende Gischt zu halten. Ein donnerndes Getöse blieb dicht hinter ihm im Wasser, wurde schwächer und verklang. Eine Reihe mächtiger Brecher traf ihn wuchtig, riß ihn mit wahnsinniger Geschwindigkeit fort und zoe ihn fast wieder unter Wasser.
Irgendwie überlebte er es. Das Meer wurde ruhiger. Er erbrach das Wasser, das er geschluckt hatte, schüttelte die Lähmung aus seinen Gliedern und blickte sich suchend um.
Ein Dutzend Schritte entfernt tanzte der Kopf eines Menschen im Rhythmus der wogenden Wellen. Dahinter, etwa eine Meile entfernt, erstreckte sich eine lange, graue Küste, die hier und da von kümmerlicher Vegetation unterbrochen wurde. Flach und ungebrochen zog sich die Küste unter wolkenverhangenem Himmel auf beiden Seiten bis zum Horizont.
Kenlon wandte den Blick, sah wieder den tanzenden Kopf.
Tedders? Und die Männer? Und die »Seeschlange«?
Die Gedanken waren wie eine Folge sich steigernder Schmerzen. Keuchend wirbelte Kenlon im Wasser herum.
»Dan!« schrie er heiser. »Dan Tedders!«
Von weither antwortete ihm ein Ruf. »Hier bin ich, Bill. Hier, bei Davisson. Bei uns ist alles in Ordnung. Wie steht es bei Ihnen?«
Er erkannte die beiden Köpfe dreihundert Fuß zu seiner Linken. Erleichtert rief er: »O. K.«
Tränen waren in seinen Augen, als er sich dem nahe über die Wellen ragenden Kopf zuwandte. Er erkannte das verzerrte Profil des Mannes.
»Black«, sagte er, »ist bei Ihnen alles in Ordnung?«
Der Mann sah vollkommen verwirrt aus. »Ja, Sir«, murmelte er.
Kenlon schwamm näher. »Sind Sie sicher?«
»Ja, Sir.« Dann kam ein Schrei. »Aber mein Kamerad. Johnston, Sir! Ich sehe ihn nirgends.«
»Johnston!« Kenlon bellte den Ruf über das Wasser. Er wandte sich um, richtete sich
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