Im Reich des Vampirs

und tat nicht einmal so, als würde er die Zeitung lesen, die er in der Hand hielt; das schwarz gewandete Gespenst stand auf der anderen Straßenseite und beobachtete mich aus dem grauen Schatten einer trübe flackernden Straßenlaterne. Derek O’Bannion kam aus einem Geschäft zwei Türen weiter und wandte sich nach links, ging geradewegs auf die Dunkle Zone zu.

    Â»Wo, zur Hölle, waren Sie?« Barrons riss die Taxitür auf, packte meinen Arm und zerrte mich heraus. Für einen Moment hatten meine Füße keinen Bodenkontakt.
    Â»Hören Sie bloß auf damit«, brummte ich, schüttelte seine Hand ab und schob mich an ihm vorbei. Inspector Jaynes Taxi hielt hinter meinem. Ich fragte mich, ob ihm seine Familie noch nicht fehlte. Hoffentlich bekam er bald genug von mir und ging nach Hause.
    Â»Ich besorge Ihnen ein Mobiltelefon, Miss Lane«, bellte Barrons mir nach. »Sie werden es die ganze Zeit bei sich tragen wie den Speer. Sie werden nichts ohne dieses Telefon tun. Muss ich Ihnen all die Dinge aufzählen, bei denen Sie das Ding dabeihaben werden?«
    Ich machte ihm klar, wohin er sich das noch zu besorgende Handy stecken konnte – dorthin, wo die Sonne nicht schien, und diesmal benutzte ich keinen Blumennamen –, und stapfte in den Laden.
    Er stürmte mir hinterher. »Haben Sie vergessen, welche Gefahren da draußen bei Nacht lauern, Miss Lane? Sollen wir einen kleinen Spaziergang machen?« Schon einmal, als er mich für eigensinnig und uneinsichtig hielt, hatte er mir angedroht, mich nachts in die Dunkle Zone zu bugsieren. Heute war ich zu benommen, um mich darüber aufzuregen. Die Riegel knallten wie Schüsse, als er sie zuschob. »Haben Sie Ihre Aufgaben hier vergessen, Miss Lane?«
    Â»Wie könnte ich?«, fragte ich bitter. »Jedes Mal, wenn ich es versuche, passiert was Schlimmeres.«
    Ich war schon auf halbem Weg zur Verbindungstür, als er mich einholte und zu sich herumdrehte. Wütend musterte er mich und sein Blick schien einen Moment zu lange auf der Kristallträne zwischen meinen Brüsten zu verweilen. Oder auf den Brüsten an sich? »Und trotzdem putzen Sie sich heraus wie ein billiges Flittchen und gehen aus, um zu trinken. Was, verdammt noch mal, denken Sie sich dabei? Denken Sie überhaupt?«
    Â»Ein billiges Flittchen? In welcher Zeit leben Sie, Barrons?Ich sehe kein bisschen billig aus. Genau genommen bin ich nach den heutigen Maßstäben eher overdressed, und ganz bestimmt bin ich anständiger angezogen als mit diesem albernen kleinen Schwarzen, das ich nach Ihrer Anweisung anziehen musste, als wir  …« Ich brach ab; der Anlass, zu dem ich das windige Fähnchen getragen hatte, war plötzlich wieder allzu akut geworden. »Und nur damit das klar ist«, setzte ich steif hinzu, »ich bin nicht ausgegangen, um zu trinken.«
    Â»Lügen Sie mich nicht an, Miss Lane. Ich rieche den Alkohol. Und andere Dinge. Wer war der Mann?« Sein dunkles, exotisches Gesicht wirkte eiskalt. Seine Nasenlöcher waren aufgebläht und bebten wie die eines Tieres, das Witterung aufgenommen hatte.
    Barrons’ Sinne waren außerordentlich ausgeprägt. Ich hatte nicht einmal einen winzigen Schluck Alkohol getrunken. »Ich hab doch schon gesagt, dass ich nichts getrunken habe«, versicherte ich noch einmal. Ich hatte einen scheußlichen, einen der schrecklichsten Abende meines Lebens hinter mir.
    Â»Irgendetwas hatten Sie. Was?«, wollte er wissen.
    Â»Einen alkoholischen Kuss«, gab ich knapp zurück. »Zwei, um genau zu sein.« Zu dem zweiten war es allerdings nur gekommen, weil ich nicht schnell genug ausweichen konnte. Ich wandte mich ab, hasste mich selbst, verabscheute meine Entscheidungen.
    Seine Hand schloss sich um meine Schulter. Er drehte mich mit solcher Vehemenz zu sich, dass ich wie ein Kreisel herumgewirbelt wäre, hätte er mich nicht festgehalten. Ihm schien selbst aufzufallen, dass sein Griff zu hart war, denn gerade, als ich ihn deswegen zurechtweisen wollte, lockerten sich seine Finger, aber die Spannung aus seinem Körper ließ kein bisschen nach. Wieder fiel sein Blick auf meineKette und ihr weiches Kissen zwischen meinen Brüsten. »Wer?«
    Â»Von wem  – so heißt das korrekt.«
    Â»Gut, Miss Lane, von wem , verdammt noch mal?«
    Â»Derek O’Bannion. Noch irgendwelche Fragen?«
    Er betrachtete mich