Im Rhythmus der Leidneschaft
Wunsch überkam, nach Baltimore zu fliegen, um alte Freunde zu besuchen, dann würde sie es tun.
Den ganzen letzten Monat hatte sie darauf gewartet, dass irgendetwas passierte. Caleb hatte sich kein einziges Mal gemeldet, um ihr mitzuteilen, ob er ihre Identität für sich behalten oder an die Öffentlichkeit bringen würde.
Er hätte ja auch einfach anrufen können, um ihr zu sagen, dass er sie vermisste. Dass er sie liebte.
Inzwischen hatte sie erkannt, wie viel Energie sie durch ihre Passivität vergeudete. Von nun an würde sie sich nehmen, was sie sich wünschte. Schluss mit dem Versteckspiel, sagte sie sich. Es ist egal, ob du in einem winzigen Ort in den Bergen lebst oder in der Stadt. Die Menschen, die über andere reden und spekulieren wollen, werden das in jedem Fall tun.
Miranda wollte ihr Leben stolz und selbstbewusst führen, auch wenn sie dafür das, was sie mit Caleb erlebt hatte, als wunderschöne Erinnerung abhaken musste, so schwer ihr das auch fiel.
Zugegeben, sie hätte ihn auch anrufen können. Über ihre Kontakte in Baltimore hätte sie seine Nummer bestimmt herausgefunden, selbst wenn er nicht im Telefonbuch stand. Aber die Vorstellung, ihm jetzt nachzulaufen, kam ihr sehr verzweifelt vor.
Sie saß auf der Bank vor ihrem Schminktisch und betrachtete ihr Spiegelbild. Bevor Caleb Mc Gregor in ihr Leben getreten war, hatte sie sich oft einsam gefühlt und sich bei Corinne und Patrice über den Mangel an ledigen Männern in Mistletoe beklagt, bis ihre Freundinnen es leid geworden waren, sich ihr Gejammer anzuhören.
Doch nie zuvor war sie so deprimiert gewesen.
„Miranda? Bist du da drin?“
Entschlossen, sich wieder der Welt zuzuwenden, drehte Miranda sich von ihrem Spiegelbild weg. „Es ist offen, Patrice. Komm rein.“
Patrice öffnete die Tür. „Ich habe mehrmals geklopft. Ich dachte schon, du bist im Bad.“
„Nein, ich war in Gedanken. Tut mir leid, ich habe dich nicht gehört.“
„Ich brauche gar nicht erst zu fragen, woran du gedacht hast. In letzter Zeit denkst du ohnehin fast nur noch an Caleb.“ Patrice setzte sich neben sie. „Vielleicht hilft dir das hier.“ Sie reichte ihr einen dicken Umschlag, auf dem ihre Adresse stand und als Absender nichts als die Buchstaben C und M.
Behutsam strich Miranda über die Initialen. Es waren weder Briefmarke noch Stempel auf dem Umschlag. „Ist er hier?“
„Nicht, dass ich wüsste.“ Patrice tippte auf den Umschlag. „Es kam bestimmt mit der übrigen Fed Ex-Lieferung. Alan sagte, er hätte dir zugerufen, als du kamst, aber …“
„Ja, ich habe ihn gehört, aber mein Selbstmitleid war mir wichtiger als eine Unterhaltung.“
„Ach, Kleines.“ Patrice legte ihr einen Arm um die Schultern. „Was ist denn diesmal so schlimm?“
Miranda stieß ihr den Ellbogen in die Rippen. „Diesmal? Das werde ich dir nicht verraten.“
„Brauchst du auch nicht. Man sieht es dir deutlich an.“
Sie sah wieder in den Spiegel. „Die Augenringe überschminke ich, und dann sieht man mir die Schlaflosigkeit auch nicht mehr an.“
„Soll ich dir mal sagen, was ich sehe?“ Patrice hielt den Umschlag hoch. „Ihn. Du liebst ihn, aber du unternimmst nichts.“
„Was soll ich denn tun? Er hat nichts von sich hören lassen.“
Seufzend schwenkte Patrice den Umschlag hin und her. „Und wie nennst du das hier?“
„Einen Monat später?“
„Er ist ein Mann, Miranda. Ein Monat zum Klarwerden über die eigenen Gefühle ist da gar nichts.“
Zögernd sah sie auf den Umschlag. Dort steckte bestimmt etwas drin, was ihr zeigte, wie er sich entschieden hatte. Wieso schrieb er ihr so etwas, anstatt es ihr zu sagen?
Auffordernd klopfte Patrice auf den dicken Umschlag. „Bist du denn gar nicht neugierig?“
„Und wie.“
„Dann mach auf und sieh nach, was er dir zu sagen hat.“ Patrice half ihr auf die Sprünge, indem sie die Klebelasche öffnete.
Langsam zog Miranda einen Stapel Blätter heraus, die an einer Längsseite zusammengeheftet waren. Oben drauf klebte ein handgeschriebener Zettel.
„Der Anfang meines Buchs. Ich wollte, dass du ihn als Erste liest. Caleb.“
„Oh“, stieß Patrice aus. „Einer Sneak-Preview konnte ich noch nie widerstehen.“
„Wenn ich mit meiner Vermutung richtig liege, geht’s darin um mich.“ Aber wieso sollte Caleb in einem Buch über die Popkultur über sie schreiben? Und wenn nicht, warum schickte er es ihr dann?
Nachdenklich schwieg Patrice einen Moment. „Dann solltest du es vielleicht
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