Im Rhythmus der Leidneschaft
hielt. Obwohl sie wütend auf ihn war, weil sie ihn für das Scheitern ihrer Ehe verantwortlich machte, war auch sie fest davon überzeugt, dass er diesen Preis für seine Musik verdiente.
Ellie strich ihr über die Hand, als der Umschlag mit dem Namen des Gewinners geöffnet wurde. „Vergiss nicht zu lächeln.“ Mitfühlend sah sie Susannah in die Augen. „Tut mir leid, ich wünschte wirklich, er wäre hier und könnte das miterleben.“
„Vielleicht ist er ja auch hier. Spirituell, meine ich.“
„Und der Gewinner ist …“ Ein Trommelwirbel erklang, und der Moderator beugte sich dichter zum Mikrofon, „J. D. Johnson für ‚Songs for Susannah‘.“
Die Zeit schien stillzustehen. Einer von J. D.s Songs erklang, und als sein Gesang den Saal erfüllte, verkrampfte sich Susannahs Herz. Er sang von ihr und für sie. Das war sehr privat, und dennoch musste sie mit unzähligen Menschen teilen, die ihn alle verehrten.
Sie schaffte es kaum aufzustehen. So viele Menschen beobachteten sie! Die Kameras liefen und Applaus brandete auf. Aufmunternd drückte Ellie ihr den Arm, dann ging Susannah auf die Bühne zu. Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen. Es gab nur diesen Moment, in dem sie sich wie im Traum der entfernten Bühne näherte.
Nur nicht stolpern, dachte sie, während sie die Stufen hinaufschritt.
Dann stand ihr der strahlende Moderator gegenüber und drückte ihr eine Bronzefigur in die Hand. Sie umfasste das kühle Metall und schluckte, als der Applaus abebbte. Jetzt hätte man eine Stecknadel zu Boden fallen hören können.
Sie blickte in ein Meer aus Gesichtern und suchte unwillkürlich nach J. D.
Ich muss etwas sagen, schoss es ihr durch den Kopf. Ganz sicher war dies nicht der Moment, um den Fans zu verkünden, dass ihr Idol noch lebte.
Es würde ihr ohnehin niemand glauben. Es sei denn, er käme jetzt, in diesem Moment, aus der Menge und würde alle überraschen.
Doch das geschah nicht, und so räusperte Susannah sich und beschränkte sich auf ihre vorbereitete Rede.
„An dieser CD haben so viele Menschen mitgearbeitet, dass ich nur schwer allen einzeln danken kann“, sagte sie abschließend. „Angefangen vom Künstler, der das Cover gestaltet hat, bis zu den Technikern, die den Sound perfekt abgemischt haben. Mein Mann war sich dessen immer bewusst. Wenn er jetzt …“
Sie verstummte einen Moment, weil ihr das Lügen schwerfiel. „Wenn er noch lebte“, zwang sie sich zu sagen, „würde er wollen, dass ich euch allen danke. Ich danke euch vielmals.“
Als J. D.s Musik wieder erklang und der Applaus erneut einsetzte, unterdrückte Susannah einen Fluch. Würde sie von nun an bis in alle Ewigkeit für J. D. lügen müssen? Es kostete sie Mühe, doch sie schaffte es zu lächeln, während sie die Bühne verließ und zu ihrem Platz zurückkehrte. Parallel zu J. D.s Song wurde eine Diashow mit Konzertbildern von ihm auf eine Leinwand projiziert. Anschließend wurden kurze Interviews mit Musikern eingespielt, die mit ihm zusammengearbeitet hatten. Susannah merkte, wie gerührt das Publikum war.
In einer Hinsicht hatte J. D. recht gehabt, es war ihr oft schwergefallen, zwischen ihrem Privatleben und seiner Karriere eine klare Grenze zu ziehen. Nachdem sie jetzt erfahren hatte, wie viele Menschen J. D. mit seiner Musik positiv beeinflusst hatte, wünschte sie sich, sie hätte größeren Anteil an seiner Arbeit genommen. Tränen brannten ihr in den Augen. Möglicherweise stimmte es doch, dass sie befürchtet hatte, ihre Liebe könnte nicht stark genug sein, um dem Ruhm und seiner Karriere standzuhalten.
Als sie ihren Platz erreichte, beugte sie sich zu Ellie hinunter. „Ich glaube, ich verschwinde lieber.“
Besorgt sah Ellie sie an. „Musst du nicht noch bleiben?“
Den Pressetermin für die Fotos hatte es bereits vor der Veranstaltung gegeben. Susannah schüttelte den Kopf. „Niemand wird mich vermissen. Ich habe meine Pflicht erfüllt,
alle werden Verständnis dafür haben, wenn ich jetzt gehe.“
Ellie sah ihr unschlüssig in die Augen. „Bist du ganz sicher, dass du nicht doch lieber Gesellschaft hättest?“
„Ganz sicher.“ Das war gelogen, denn sie sehnte sich nach J. D.
Susannah war nicht sicher, wie sie sich verhalten sollte, wenn sie ihn wiedersah, sie wusste nur, dass sie auf jeden Fall einen Abschiedskuss von ihm wollte.
9. KAPITEL
„Schneller!“
J. D. saß hinten im Taxi und spähte durch die Frontscheibe in den New Yorker Regen, während sie von
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