Im Rhythmus der Leidneschaft
der Schnellstraße abfuhren. Er hatte es fast geschafft. Das gleichmäßige Geräusch der Scheibenwischer kam ihm wie eine Folter vor. Krampfhaft hielt er Sandys Tasche in der Hand.
Erst vor Kurzem hatte er zum ersten Mal einen Blick hineingeworfen, und sein Magen hatte sich vor Angst zusammengezogen. Es befanden sich unzählige Liebesbriefe an ihn darin, geschrieben mit schwarzer Tinte, verunstaltete Fotos von Susannah und ein herzförmiges Medaillon mit der Aufschrift „I love you“. Diesen Anhänger hatte er Susannah vor Jahren geschenkt. Offenbar hatte Sandy ihn gestohlen.
Er war auf Tagebuchaufzeichnungen gestoßen, in denen Sandy Susannahs Leben bedrohte.
„Können Sie die Meldung noch einmal an die Zentrale durchgeben?“, drängte er.
„Keine Sorge, die haben es bestimmt schon an die Polizei weitergegeben. Wir sind ja auch fast da.“ Im Rückspiegel musterte der Taxifahrer seinen Fahrgast. „Sind Sie sicher, dass Ihre Frau in Gefahr ist?“
„Möglicherweise.“ Lauerte Sandy Susannah vielleicht auf? J. D. packte die Tasche fester und bereitete sich darauf vor, sofort aus dem Taxi zu springen, sobald es hielt. Wieso hatte er den Inhalt der Tasche nicht eher durchsucht? „Verdammt.“ Er musste daran denken, wie oft Susannah sich beschwert hatte, weil er so viele Fremde in ihr Haus brachte. „Beeilen Sie sich.“
„Das tue ich bereits.“ Wieder sah der Fahrer ihn prüfend an. „Sie erinnern mich an diesen Countrysänger, der vor ein paar Wochen gestorben ist. Hat Ihnen das schon mal jemand gesagt?“
J. D. schüttelte den Kopf.
„Sein Foto war in allen Zeitungen. Er war betrunken und hat sein Boot in die Luft gesprengt oder so. Diesem Kerl sehen Sie ähnlich. Aber ich glaube, er war blond.“
Heute berühmt, morgen vergessen, dachte J. D. Er hatte in den letzten Wochen seinen Bart wachsen lassen und trug jetzt eine Brille und eine Baseballkappe. Als Verkleidung war das zwar kläglich, aber offenbar reichte es aus.
Mehr denn je sehnte er sich nach Susannah. Und jetzt schwebte sie möglicherweise in großer Gefahr. Durch seine Schuld.
Sie gerieten in einen Verkehrsstau, und J. D. kam fast um vor Ungeduld. Sein Gefühl sagte ihm, dass Sandy hier in New York war, genau wie Susannah. Offenbar hatte Susannah die ganze Zeit über recht gehabt. Sandy hatte für ihn geschwärmt und nicht für Joel. Deshalb hatte sie sich ausgezogen und sich zu ihm ins Bett gelegt. Sie hatte gewollt, dass Susannah sie bei ihrem Mann antraf.
Zum Glück waren sie jetzt fast in der Straße angekommen, in der Susannah ihr Apartment hatte. Sein Magen brannte. In der Tasche waren Fotos von ihm und Susannah aus glücklicheren Tagen. Susannah am Strand in pinkfarbenem Bikini, mit strahlendem Lächeln beim Picknick in Shorts und T-Shirt. Doch das Lächeln war mit einem scharfen Gegenstand weggekratzt worden.
In ihr Tagebuch hatte Sandy geschrieben: Nur wenn ich sie los bin, kann ich mit J. D. zusammen sein. Ich weiß, dass J. D. sich insgeheim nach mir sehnt.
Er ballte die Hände zu Fäusten. Nach dem nächtlichen Streit mit Susannah hatte er sich in Mama Ambrosias Hütte zurückgezogen. Sie hatte ihm angeboten, sie zu nutzen, solange sie im Urlaub war. Er hatte einen Privatpiloten, den er gut kannte, angerufen, ihn zur Verschwiegenheit verpflichtet und war Susannah nach New York gefolgt. Sandys Tasche hatte er nur mitgenommen, weil er sie in dem Beutel vergessen hatte, in dem er in den letzten Wochen alle Habseligkeiten aufbewahrte, mit denen Mama Ambrosia ihn ausgestattet hatte. Am Flughafen hatte er die Tasche zum ersten Mal geöffnet.
Entsetzt dachte er an das Gespräch, das er mit Susannah an jenem Tag per Telefon geführt hatte, als das Boot explodierte. Als er aufgelegt hatte, hatte Sandy hinter ihm gestanden. Er hatte sich noch kurz gefragt, wie viel sie mitgehört hatte und wann sie nach Banner Manor zurückgekehrt war. Sie hatte behauptet, sie habe etwas vergessen, und er hatte nicht weiter darüber nachgedacht. Vielleicht war sie wegen der Tasche gekommen, hatte sie jedoch nicht finden können.
Er bekam eine Gänsehaut. Sandy hatte gewusst, dass er sich mit Susannah auf dem Boot treffen wollte.
Hatte sie das Boot in die Luft gejagt, um Susannah umzubringen, weil sie davon ausging, dass er dann sie lieben würde? War ihm deswegen damals auf der Fahrt zum Hafen der Sprit ausgegangen? Vielleicht hatte Sandy Treibstoff abgelassen, damit er den Hafen nicht erreichte und nicht zu Schaden kam. Aber wer war
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