Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin
Derartiges in Zukunft zu vermeiden?
Warum ist die einzige Folge von 155 Verkehrstoten, dass in zwei Monaten wiederum etwa 155 überwiegend junge Menschen auf der Straße sterben?
Kaprun auf der Straße findet ganzjährig statt.
Der Arzt am Tatort
Jeder, der Fernsehkrimis gesehen hat, glaubt zu wissen, was der Arzt am Tatort bei der Begutachtung einer Leiche zu tun hat. Er ist immer schon dort, wenn der Kommissar eintrifft, steht nach einer kurzen Hantierung am Körper des Toten auf, verabschiedet sich mit stets den gleichen Worten: »Näheres, wie immer, erst nach der Obduktion!« und geht ab. So läuft das in der Realität nicht. Die Tatortgruppe der Polizei muss nämlich in enger Zusammenarbeit mit dem Gerichtsmediziner die Bestandsaufnahme durchführen. Dabei ist es absolut zweckmäßig, überhaupt jeden plötzlichen oder unerwarteten Todesfall so lange als Mord anzusehen, bis das Gegenteil nicht bewiesen ist. Für die Leiche ist überhaupt nur der Gerichtsmediziner zuständig.
Es ist üblich, zunächst einmal den am schnellsten erreichbaren Arzt zu rufen, vorausgesetzt, dass er wenigstens die Grundkenntnisse für eine Leichenbeschau besitzt. Das ist freilich nicht immer der Fall.
Tot? Seit wann? Wie?
Die erste und wichtigste medizinische Aufgabe ist die Feststellung des tatsächlich eingetretenen Todes. Denn dabei geht es schließlich um sofortige Wiederbelebungsmaßnahmen. Es kommt keineswegs nur bei Vergiftungen vor, dass noch lebende Personen für tot erklärt wurden. Die zweite dringliche Aufgabe des Arztes ist zugleich die schwierigste, die Bestimmung der Todeszeit.
Der Anblick eines Arztes in einem Fernsehkrimi, der nach kurzer Überlegung erklärt: »Er starb gestern Nacht zwischen halb drei und halb vier Uhr«, ist völlig irreal. Eine exakte Todeszeitbestimmung allein anhand von Leichenmerkmalen ist überhaupt nicht möglich, es gibt nur eine Schätzung. Und dafür gilt als Regel: Je weniger Zeit nach dem Tod vergangen ist, desto genauer kann die Eingrenzung der Todeszeit erfolgen.
Einen wichtigen Hinweis liefert dabei die Auskühlung der Leiche. Das Sinken der Körpertemperatur nach dem Tod bietet zumindest einen Anhaltspunkt, obwohl viele andere Umstände zu beachten sind. Faktoren, die den Wärmeverlust eines Körpers beeinflussen können, sind zum Beispiel die Kleidung, die Umgebungstemperatur, die Feuchtigkeit, die Körperhaltung der Leiche, die Anfangskörpertemperatur, welche nicht unbedingt 37 °C betragen muss, das Gewicht der Person und das Verhältnis von Körperoberfläche zu Körpergewicht. Es sind stets mehrere Temperaturmessungen erforderlich, wobei vor allem der Vergleich des Temperaturabfalles im Enddarm mit der Umgebung wichtig ist. Es muss also mehrfach ein Thermometer in die Analöffnung gesteckt werden. Diese Prozedur wird natürlich im Fernsehen nicht gezeigt.
Aufsehen erregte die Arbeit von Gerichtsmedizinern der Universität Tennessee, welche die Abkühlgeschwindigkeit von Leichen bei unterschiedlichen Wetterverhältnissen und auf unterschiedlichen Böden untersuchten - möglichst realistisch in der unmittelbaren Umgebung einer ländlichen Ortschaft. Diese Arbeit war bei den örtlichen Einwohnern, denen der Gedanke an für wissenschaftliche Experimente herumliegende tote Körper Unbehagen verursachte, nicht sehr beliebt.
Wird der Körper eines Mordopfers später als zwei oder drei Tage nach der Tat aufgefunden, so ist die Aufgabe, die Todeszeit zu bestimmen, keine Frage von Temperaturveränderungen mehr, sondern ein Fall für einen anderen Spezialisten - den forensischen
Entomologen. Ein Entomologe ist ein Fachmann, der den Lebenszyklus und das Verhalten von Insekten untersucht. Der forensische Entomologe betrachtet die verschiedenen Insekten, die in den Überresten eines Opfers leben, und kann anhand des bekannten Lebenszyklus der Maden die Zeit bestimmen, die seit dem Todeseintritt vergangen ist.
Es gibt einen interessanten Fall, bei dem ein entomologischer Anhaltspunkt die Unschuld eines »Täters« bewiesen hat, der acht Jahre wegen eines Mordes im Gefängnis verbrachte, den er nicht begangen hatte.
Es ging um den Körper eines Mannes, der in Ungarn ermordet auf einer Donaufähre gefunden wurde, die eines Tages im September um sechs Uhr am Abend angelegt hatte. Eine Obduktion wurde am darauffolgenden Tage um zwei Uhr Nachmittag vorgenommen. Dabei wurden im Körper zahlreiche Schmeißfliegeneier und -larven gefunden. Dieses entomologische Detail
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