Im Saal der Toten
gegen strafrechtliche Verfolgung immun.«
»Außer ihre Heimatregierung hebt die Immunität auf, richtig?«, fragte ich.
»Natürlich. Es ist kein Freibrief, Verbrechen zu begehen. Wenn Sie glauben, genug Beweise für eine Anklage zu haben, dann unterrichtet das Außenministerium die entsprechende Regierung und erbittet eine Aufhebung der Immunität, um den Fall vor das zuständige Gericht zu bringen.«
»Wie steht’s mit den Bediensteten der diplomatischen Vertretungen?«, fragte ich.
»Konsularangestellte haben weniger Schutz, Miss Cooper. Sie erhalten Immunität nur für Handlungen, die sie als Teil ihrer offiziellen Pflichten vornehmen.«
»Ich würde vorschlagen, Sie besorgen mir die Liste, um die ich Sie gebeten habe. Andernfalls lasse ich Ihnen morgen früh einen richterlichen Beschluss zukommen.«
»Ich will Sie nicht in Ihrer Arbeit behindern. Aber es muss doch – wie wir hier sagen würden – einen diplomatischeren Weg geben. Sollten Sie von einer gravierenden Straftat sprechen, dann wissen Sie, dass entsprechende Anzeigen in der Vergangenheit zu Ausweisungen führten.«
»Diese Lösung ist ausgesprochen unbefriedigend, Mr Barcher«, sagte ich. »Wenn Sie einen Schwerverbrecher ausweisen, wird er nie vor eins unserer Gerichte gestellt werden. In der Regel findet er bald darauf einen Weg, wieder nach New York zu kommen, wenn er unbedingt hier sein will.«
Er versuchte eine andere Taktik. »Eine unserer Aufgaben hier in der Protokollabteilung besteht darin, zusammen mit den Geschädigten eine Lösung zu finden. Eventuell lässt sich eine Art Wiedergutmachung erwirken.«
»Geld? Für die Opfer eines Gewaltverbrechens?«, fragte Mercer. »Glauben Sie wirklich, dass Vergewaltigungsopfer nur auf Geld aus sind? Sie wollen den Scheißkerl hinter Gittern sehen, Mr Barcher, egal wer er ist. Unter Umständen hat unser Fall nichts mit den Vereinten Nationen zu tun, aber wir rechnen mit Ihrer Hilfe.«
Barcher öffnete einen Aktenschrank und nahm zwei Kopien eines Dokuments von einem dicken Stapel. »191 Mitgliedsstaaten. Die Privatadressen kann ich Ihnen nicht geben, aber das hier sind die Anschriften der Vertretungen.«
Auf dem Weg zum Aufzug überflogen wir die alphabetische Liste nach afrikanischen Ländern.
»Angola. Das war früher, glaube ich, portugiesisch, nicht britisch«, sagte ich, da ich an Annikas Bemerkung über den Akzent des Täters dachte. »Benin. Wo ist das?«
»Zu unserer Schulzeit hieß es noch Dahomey. Französisch-Westafrika.«
»Botswana. Das war britisches Einflussgebiet.« Ich markierte die Seite mit meinem Kugelschreiber. »Burkina Faso. Wo zum Teufel liegt das?«
»Obervolta. Einst Teil der französischen Union.«
»Burundi. Das gehörte, glaube ich, den Deutschen oder den Belgiern.« Ich knöpfte meinen Mantel zu, während uns der Sicherheitsbeamte die Tür aufhielt.
»Dschibuti«, sagte Mercer. »Gehörte ebenfalls zu Frankreich.«
»Wir brauchen mehr Personal, als ich gedacht hätte. Wir sind noch nicht einmal über den Buchstaben D hinaus.«
Zurück im Auto rief Mercer Lieutenant Peterson an. »Alex wird morgen früh dem Protokollchef einen richterlichen Beschluss schicken. Wir sind nicht gerade mit offenen Armen empfangen worden. Vielleicht können Sie beim neunzehnten Revier Verstärkung anfordern. Mit etwas Glück klopfen wir morgen Nachmittag an ein paar Türen.«
Mercer lauschte Petersons Antwort und legte auf. Dann nahm er mir den Kugelschreiber aus der Hand, um sich eine Adresse zu notieren.
»Jetzt bekommen wir unsere Gelegenheit, noch einmal mit Emilys Freund Teddy Kroon zu sprechen. Emilys Tochter stand vor einer Stunde vor seiner Tür und wollte wissen, wer ihr Vater ist.«
37
Wenn Mike Chapman dabei gewesen wäre, hätte er mich zur Seite geschoben und Teddy Kroon befohlen, mit dem Jammern aufzuhören. Mercer und ich hofften, auf die mitfühlendere Art sein Vertrauen zu gewinnen und ehrlichere Auskünfte zu bekommen als beim ersten Mal.
»Amelia. Amelia Brandon.« Kroon schaukelte auf dem Wohnzimmersofa vor und zurück und wiederholte den Namen des Mädchens immer und immer wieder. »Ich habe die Tür aufgemacht und ich schwör’s – es war, als würde ich Emilys Geist sehen. Amelia. Sie ist eindeutig Emilys Mädchen.«
»Und Sie haben sie einfach wieder gehen lassen?«, fragte Mercer.
Ich saß neben Kroon und tätschelte ihm beruhigend den Rücken.
»Was hätte ich denn tun sollen? Sie kam herein und redete zehn, fünfzehn Minuten lang
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