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Im Saal der Toten

Im Saal der Toten

Titel: Im Saal der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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Jacken- und Hemdsärmel zurück und zeigte uns eine Narbe. »Dann bekam einer von ihnen meine Waffe zu fassen.«
    Mercer ließ nicht locker. »Aber einer der Jungs wurde doch erschossen, oder?«
    »Ich trug eine zweite Pistole am Knöchel. Alte Gewohnheit, Detective, aus meiner Zeit im Drogendezernat. Die haben sie nicht gefunden.«
    Ich war kein Fan von den verrückten Polizisten, die dachten, dass eine Waffe für den Job nicht ausreichte.
    »Der Junge wurde in den Rücken geschossen, nicht wahr?«, fragte Mercer, ohne vorerst darauf einzugehen, aus welcher Entfernung der Schuss abgegeben worden war.
    Kittredge ging zum Ausguss und spülte seine Tasse aus. »Wer hat Ihnen das erzählt? Dieser Spinner Zeldin? Er wollte mich von Anfang an nicht dort haben. Wahrscheinlich hat er die ganze Sache eingefädelt.« Er sah meinen Seitenblick zu Mercer. »Sie glauben, dass ich mir das alles nur einbilde, oder?«
    »Nein, das tue ich nicht. Ich kann mir nur nicht vorstellen, warum jemand Sie zuerst einlädt, dann aber nicht einlassen will.«
    Er kam auf mich zu und steckte mir den Finger ins Gesicht. »Anstatt mich für verrückt zu halten, sollten Sie sich lieber dieses Grüppchen Irrer noch einmal genauer ansehen.«
    »Das haben Sie vermutlich schon getan, Mr Kittredge. Deshalb sind wir hier.«
    »Ich hatte von Gerüchten gehört. Zeldin dachte wahrscheinlich, dass ich gegen ihn und seine Kumpane ermitteln wollte. Der Rabenverein oder wie immer sie sich nannten.«
    »Was –«
    »Nachdem ich meinen Job verloren hatte, war mir die Sache scheißegal. Die Polizeiarbeit – ob real oder fiktional – konnte mir gestohlen bleiben. Ich nahm Kunstunterricht als Therapie. Wutmanagement.« Kittredge zeigte auf die Aktstudien. Jetzt, da wir diese unangenehmen Erinnerungen aufgewühlt hatten, hatte er wieder einen unruhigen, flackernden Blick.
    »Was meinten Sie mit den Gerüchten über Zeldin?«
    »Nicht nur über ihn. Über seine ganze kleine Geheimgesellschaft. Für jemanden, der sich für ziemlich schlau hält, wissen Sie wirklich herzlich wenig über diese Sache, Ms Cooper.«
    »Ich bin dankbar für jede Hilfe, die ich kriegen kann.«
    »Eine äußerst exklusive Mitgliedschaft, mit ganz speziellen Vorschriften. Es heißt, dass man nur Mitglied im Rabenverein werden kann, wenn man jemanden umgebracht hat.« Kittredge hielt uns die Wohnungstür auf, um das Ende unseres Treffens zu signalisieren. »Man muss sich ein Beispiel bei Edgar Allan Poe genommen haben.«

 

36
     
    »Wollen wir es für heute dabei belassen?«, fragte Mercer, als wir um neun Uhr wieder im Auto saßen. »Ich weiß, dass du es dir jetzt lieber zu Hause mit dem Kreuzworträtsel gemütlich machen würdest.«
    »Wir müssen uns noch einmal die Namensliste vorknöpfen und uns ansehen, was für schräge Vögel diese Raben wirklich sind, bevor wir sie weiter aufscheuchen. Auf geht’s, wir haben noch viel zu tun.«
    In dem Moment piepste Lieutenant Peterson Mercer an. Mercer rief ihn zurück und berichtete mir dann die Neuigkeiten.
    »Loo kann sonntags drüben in der UNO niemanden auftreiben. Wir sollen selbst hinfahren und den Ball ins Rollen bringen. Deine Vermutung, dass der Verdächtige etwas mit den diplomatischen Vertretungen zu tun hat, lässt ihm keine Ruhe.«
    Sonntagmorgens legten wir die Strecke durch den Central Park hinüber zum FDR Drive zügig zurück. Als wir in südlicher Richtung am East River und an Roosevelt Island entlangfuhren, vermied ich es, nach links zu der eleganten Ruine des alten Blackwell Hospital an der Südspitze der Insel zu sehen, dem Schauplatz einer alten Ermittlung.
    Mercer nahm die Abfahrt an der 48. Straße und parkte vor dem riesigen Komplex an der First Avenue. Als sich nach dem Zweiten Weltkrieg jede große amerikanische Stadt darum bewarb, Sitz der Nachfolgeorganisation des Völkerbundes zu werden, erhielt New York auf Grund eines 8,5-Millionen-Dollar-Geschenks von John D. Rockefeller, Jr. den Zuschlag. Dank dieser Spende konnte man in Midtown-Manhattan sieben Hektar des besten Grund und Bodens in einer Gegend namens Turtle Bay kaufen.
    Die Vereinten Nationen nahmen 1950 mit der Fertigstellung des hohen, schlanken Sekretariatsgebäudes – zu dem wir jetzt unterwegs waren – ihre Arbeit auf; später folgten noch die Vollversammlung und die Konferenzgebäude.
    Als Mercer den Motor abstellte und seinen Parkausweis hinter die Windschutzscheibe steckte, war uns beiden sehr wohl bewusst, dass die UNO formaljuristisch nicht in

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