Im Saal der Toten
nonstop. Ich glaube, sie hatte sich zurechtgelegt, dass ich ihr Vater sei.« Kroon lächelte gequält. »Ich habe sie wohl überzeugt, dass das nicht sein kann.«
»Aber warum haben Sie ihr keinen Kaffee angeboten – sie irgendwie aufgehalten – und dann im Revier angerufen?«
Kroon sah Mercer verdutzt an. »Detective Wallace, ich war total überrumpelt. Ich habe bestimmt an vieles nicht gedacht, das für Sie selbstverständlich ist.«
Das war Mercers Chance. Kroon war einer Lüge überführt. Der Briefentwurf von Emily Upshaw an ihre Schwester war eine der Dateien, die er in der Nacht von Emilys Mord geöffnet hatte. Amelias Auftauchen konnte ihn nicht allzu sehr überrascht haben.
Mercer rückte den Couchtisch zur Seite und setzte sich auf einen Polsterschemel direkt vor Kroon. »Als Erstes möchte ich heute Vormittag gern ein paar Grundregeln aufstellen, Teddy.« Mercers hünenhafte Gestalt schüchterte den schmächtigen Mann ein. »Sie waren nicht ganz ehrlich zu uns, was –«
»Doch, das war ich. Von Anfang an. Es sind meine Fingerabdrücke. Ich habe Ihnen doch gesagt, dass sie überall in Emilys Wohnung sind. Ich … ich wusste schon beim ersten Mal, als mich die Polizei vernommen hat, dass das ein Problem sein würde. Meinen Sie das?« Kroon sah mich Hilfe suchend an, aber ich erwiderte seinen Blick mit regungsloser Miene.
Mir fiel ein, dass Mike Teddy Kroon noch stärker unter Verdacht hatte, nachdem der Autopsiebefund ergeben hatte, dass Emily nicht vergewaltigt worden war. Falls das Ganze nur inszeniert worden war, um die Ermittler irrezuführen, war die sexuelle Orientierung des Mörders von geringer Bedeutung.
»Da müssen Sie sich schon etwas Besseres einfallen lassen, Teddy. Sie müssen uns überzeugen, dass Sie in der Nacht, in der Emily umgebracht wurde, nicht in ihrer Wohnung auf sie gewartet haben.«
Kroon krümmte sich. »Aber ich habe Ihnen doch gesagt, in welcher Bar ich war. Man hat mich dort gesehen. Es gibt viele Zeugen.«
»In einer vollen Bar, wo Sie Stammgast sind. Da kann niemand beschwören, wann genau Sie gekommen oder gegangen sind.«
»Ich hätte Emily nie wehgetan. Sie war die beste Freundin, die ich je hatte«, sagte er und legte den Kopf in die Hände.
Mercer tippte Kroon aufs Knie und sagte mit seiner tiefen Stimme: »Sehen Sie mich an, wenn ich mit Ihnen rede.«
Kroon hob langsam den Kopf.
»Nehmen Sie mich nicht auf den Arm, Teddy. Auf der Festplatte ist ein kleiner Chip, der uns die genaue Uhrzeit verraten kann, wann sich jemand welche Dateien auf Emily Upshaws Computer angesehen hat.« Mercer rieb seine Finger vor Kroons Gesicht. »Und auf der Computermaus waren genug Hautzellen, sodass wir wissen, dass dieser Jemand Sie waren. Das legt nahe, dass Sie entweder zum Zeitpunkt des Mordes bei Ihrer Freundin waren – des Mordes, der – Sie können mich gerne berichtigen – mit Ihrem Tranchiermesser begangen wurde –, oder Sie haben nach Emilys Tod Ihre Trauer lange genug unterbrochen, um sich in ihren Computer einzuloggen. Beides ergibt kein hübsches Bild.«
Kroon lehnte sich zurück, legte den Kopf in den Nacken und starrte zur Decke hinauf.
Mercer setzte ihm weiter zu. »Fangen wir mit Ihrer Behauptung an, dass Sie mehrere Nachrichten auf Emilys Anrufbeantworter hinterlassen hätten. Sie lügen. Da waren keine Nachrichten.«
»Vielleicht habe ich die falsche Nummer gewählt. Wenn ich es Ihnen sage: Ich habe Emily mehrmals zu erreichen versucht.«
»Sie müssen sich schon mehr Mühe geben, um mich zu überzeugen. Sie wussten, dass Emily sehr aufgeregt war. Auch darüber haben Sie uns angelogen. Als Emily Sie am Nachmittag in Ihrem Laden angerufen hat, hat sie Ihnen gesagt, wie verzweifelt sie war.«
»Aber ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass sie nur mit einem meiner Verkäufer –«
»Teddy, laut Emilys Telefonunterlagen hat sie fast fünf Minuten lang mit Ihrem Laden telefoniert.«
Kroon traten kleine Schweißperlen auf die Stirn. Er richtete sich auf und fauchte Mercer an: »Emily Upshaw hatte Todesangst, als sie mich am Nachmittag anrief. Sie hatte eine Vorahnung, dass sie ermordet werden würde.«
Diese Antwort hatten Mercer und ich nicht erwartet.
»Zufrieden, Detective? Hätten Sie ihr geglaubt, wenn sie Ihnen das gesagt hätte? Hätten Sie sie ernster genommen als ich?«
»Kommt drauf an, wovon sie sprach.«
»Jemand versuchte Emily zu finden. Jemand, mit dem sie nie wieder etwas zu tun haben wollte.«
Ich glaubte zu wissen, worauf er
Weitere Kostenlose Bücher