Im Saal der Toten
der ungestümen Jugendlichen. »Für Menschen sind sie ungefährlich, Detective. Sie fressen ja eigentlich kein Fleisch. Die Blätter reagieren nur auf den Druckimpuls, wenn ein Insekt auf ihnen landet, und rollen sich zusammen. Die von ihnen abgesonderten Sekrete zersetzen dann die Insekten. Kein hübscher Tod.«
»Das sind die wenigsten.«
»Kommen wir zur Sache, Sir«, sagte Ellen. »Wir sind nicht wegen der Pflanzen hier. Wir haben einige Fragen, für die Sie unter Umständen Ihre Unterlagen konsultieren müssen.«
»Unterlagen? Vom Rabenverein? Die habe ich bereits Ms Cooper gezeigt.«
»Davon rede ich nicht«, entgegnete sie. »Wir würden uns gerne über Gino Guidi und seine Spenden für den Botanischen Garten unterhalten.«
»Also hat er Ihnen von der Säuberung des Bronx River erzählt?«
Ich ließ Ellen die Fragen stellen. Ich war erschöpft und außerdem unkonzentriert, da ich auf den Anruf des Chefserologen bezüglich der DANN-Analyse von Maswana wartete.
Ellen war mit von der Partie, weil Guidi sich als guter Schütze geoutet hatte und wir darin möglicherweise eine Verbindung zu der Schießerei auf Tormey vermuteten, aber jetzt führte uns sein Name zurück an den Ort, an dem Dr. Ichiko ums Leben gekommen war. Wahrscheinlich waren Guidis Schießkünste für unseren Fall von geringer Bedeutung, aber ich ließ Ellen weiterreden.
»Nein, Sir, das hat er nicht«, antwortete Ellen.
»Sie kennen doch diese Hinweisschilder, die an den Highways angebracht werden, wenn sich eine Person oder eine Firma um die Instandhaltung eines bestimmten Straßenabschnitts kümmert?«
Wir nickten.
»Mr Guidi sieht seinen Namen gern gewürdigt. An dem Tag, an dem ich von Dr. Ichikos Tod hörte, dachte ich nicht daran, aber neulich, nach Ihrem Besuch im Poe Cottage, fiel es mir wieder ein. Con Edison kümmert sich um den oberen Abschnitt des Gartens, und einige ortsansässige Firmen haben jeweils den Flussabschnitt adoptiert, der durch ihre Viertel fließt. Gino Guidi wählte den Wasserfall und die Stromschnellen, weil er als Kind dort gespielt hatte. Er kennt sich in der Gegend gut aus, Ms Gunsher. Ich hatte es vergessen, weil auf dem Schild nicht sein Name steht, sondern der seiner Firma.«
»Providence Partners«, sagte ich.
»Ja, genau. Ich hatte an dem Tag, als ich von Ichikos Tod erfuhr, nicht daran gedacht«, sagte Zeldin und machte in seinem Rollstuhl kehrt.
»Ich möchte Sie noch einmal auffordern, dieses Gespräch in Ihrem Büro fortzusetzen.« Ellen versuchte es jetzt auf die aggressivere Tour.
Scotty Taren war käsebleich im Gesicht und schwitzte fürchterlich. Er hustete ein paar Mal und sagte dann zu Zeldin: »Kommen Sie schon! Stehen Sie auf, und kommen Sie mit in Ihr Büro!«
Zeldins Antwort war schroff und laut. »Machen Sie sich nicht lächerlich, Detective. Das kann ich nicht.«
Die drei Jugendlichen hörten Zeldins Tonfall und hielten in ihrem Treiben inne. Der Größte von ihnen kam auf uns zu.
Jetzt schwitzte auch ich. Vielleicht wegen der Hitze im Gewächshaus, vielleicht aber auch wegen der aggressiv wirkenden Jugendlichen, die jetzt auf uns zusteuerten.
»Holt Sinclair«, schrie Zeldin den Kapuzenjungs zu. »Holt Mr Phelps, und zwar gleich.«
Die drei sahen einander an und sagten etwas auf Spanisch, was ich aber wegen der Entfernung nicht verstehen konnte.
Ellen packte Zeldins Rollstuhl. »Entschuldigen Sie bitte, Sir. Wie wär’s, wenn wir uns alle beruhigen und in Ihr Büro –«
»Nehmen Sie Ihre Hände weg, junge Frau«, sagte er noch lauter.
Scotty keuchte und fasste sich an die Brust.
»Scotty? Alles in Ordnung?« Ich legte ihm den Arm um die Schulter und hielt nach einer Bank Ausschau. Da kamen die Jugendlichen auf uns zugerannt. Einer lief zu einer Seitentür, die zu einem großen Skulpturengarten führte, schloss sie ab, zog den Schlüssel und gesellte sich dann wieder zu den anderen beiden.
Sie riefen Zeldin etwas zu, während einer von ihnen Ellen packte und sie in eine große Pflanze mit eineinhalb Meter langen Seitenarmen schubste. Dann liefen sie durch den langen Tunnel in Richtung des Haupteingangs.
Ellens Schreie hätten die Scheiben des Gewächshauses zum Bersten bringen können.
Ich ließ Scotty los und rannte zu ihr. Sie lag mit dem Gesicht nach unten auf der Pflanze und schien sich nicht bewegen zu können.
»Ellen!«
Sie streckte mir eine Hand entgegen und wandte mir ihr Gesicht zu. Es war über und über mit Blut bedeckt.
Ich trat auf die Steine, die
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