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Im Saal der Toten

Im Saal der Toten

Titel: Im Saal der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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bedeutete ein Neuanfang, in der Poststelle einer renommierten Kanzlei arbeiten zu müssen. Das hatte ich, glaube ich, schon erwähnt. Monty hingegen leistete schwere körperliche Arbeit, auf dem Bau. Er kam zu jedem Treffen mit einem Gedichtband in der Hosentasche und konnte alle möglichen Gedichte rezitieren – von den Klassikern bis zu Philip Larkin und James Wright –, aber seine Hände sahen aus, als hätte er zehn Jahre lang Gräben ausgehoben.«
    »Was hatte Aurora getan?«, fragte ich.
    »Montys Ziehvater hatte ihm eine letzte Chance gegeben. Monty hatte es trotz seines Abgangs vom Internat an die Uni geschafft, aber dann war er in der Großstadt total abgestürzt. Als Aurora herausfand, von wem Monty das Geld hatte, um seinen Lebensstil aufrechtzuerhalten, fuhr sie mit dem Bus zu seinem Ziehvater und rückte mit der Sprache heraus.«
    »Warum denn das?«
    »Um den alten Mann zu erpressen. Das Problem war nur, dass sie sich getäuscht hatte. Sie hatte gehofft, ihm unter dem Vorwand, damit Montys Therapien und Studium zu finanzieren, genug Geld zu entlocken, um sich aus dem Staub zu machen und Monty im Stich zu lassen«, sagte Guidi.
    »Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte«, sagte Ellen.
    »Genau. Der Alte hatte ohnehin gedroht, Monty zu enterben. Auch wenn er den Jungen nie adoptierte, hatte er seiner Mutter auf dem Sterbebett versprochen, sich um die finanzielle Absicherung ihres Sohnes zu kümmern. Nachdem Aurora mit ihm gesprochen hatte, strich er Monty aus seinem Testament – keinen einzigen Cent sollte er erben. Bevor Monty wieder clean werden und um eine weitere Chance bitten konnte, erlag der Geldsack einem Schlaganfall.« Guidis Stimme sank zu einem Flüstern. »Rache.«
    »Was haben Sie gesagt?«
    »Rache, Ms Cooper. Aurora Tait ist aus Rache eingemauert worden. Ich wäre wohl nicht so kreativ gewesen, aber viele von uns hätten nur allzu gern an ihr Rache genommen. Ich bin mir sicher, dass das Montys Motiv war.«
    Er zupfte an seinem Hemdsärmel und verschränkte die Hände auf dem Tisch.
    »Jagen Sie, Mr Guidi?«, fragte ich.
    »Entschuldigung?«
    Ich zeigte auf seine Manschettenknöpfe.
    »Ach so, die hier. Das ist das Logo des Jagdclubs von Upper Brookville.«
    Ellen Gunsher witterte eine Beschäftigung für ihre Waffenabteilung. »Sind Sie ein guter Schütze?«
    »Ich jage von klein auf.«
    Scotty Taren machte einen verdutzten Eindruck. »In der Bronx? Machen Sie Jagd auf Eichhörnchen oder was?«
    »Hauptsächlich Wachteln. Federwild. Im Club. Aber mein erstes Tier habe ich mit vierzehn geschossen, Detective, direkt im Van Cortlandt Park. Kennen Sie den Park?«
    »In der Nord-Bronx, direkt neben dem noblen Riverdale-Viertel.«
    »Dort bin ich auf gewachsen – Bailey Avenue«, sagte Guidi. Das Viertel ähnelte mit seinen großen Feldsteinhäusern noch heute eher einer Vorstadtsiedlung als New York City. »Ich hatte mit vierzehn einen Welpen zu Weihnachten geschenkt bekommen. Wir spielten im Garten Stöckchen apportieren. Da kam ein Kojote aus dem Park.«
    »Ein Kojote?«, fragte Miss Texas ungläubig.
    »Die gibt es im ganzen Bundesstaat«, warf Taren ein. »Manchmal kommen sie hier runter, wenn es ihnen weiter nördlich zu kalt ist oder sie nichts zu fressen finden. Die Emergency Services haben alle Hände voll zu tun, sie ruhig zu stellen und wegzukarren, bevor sie sich zu Rudeln zusammenrotten und Haustiere oder Kinder angreifen.«
    Guidi erzählte weiter. »Zuerst hielt ich ihn für einen Schäferhund. Aber dann sah ich das graue Nackenfell und den hängenden Schwanz. Er schnappte sich meinen Hund, einen braunen Labradorwelpen, und lief damit in den Park. Ich holte das Gewehr meines Vaters aus der Garage, setzte mich auf seine Spur und erledigte ihn, bevor er meinem Hund etwas antun konnte.«
    Ellen schien das Happy End zu gefallen. Scotty Taren zog eine Augenbraue hoch und formte mit den Lippen die Worte »Professor Tormey«. Aaron Kittredge war nicht mehr der einzige Schütze auf unserer Liste. Guidi konnte genauso gut die Schüsse an der Ruhmeshalle abgegeben haben.
    Da klopfte es und Laura steckte den Kopf zur Tür herein. »Entschuldigen Sie bitte die Störung.«
    »Schon in Ordnung.« Ich stand auf, weil ich annahm, dass Mike am Telefon wäre. »Ich komme.«
    Sie wackelte mit dem Finger. »Es ist für Ellen. Mr McKinney möchte Sie sprechen, Liebes.«
    Ellen verließ den Raum, und ich beschloss, auf sie zu warten, bevor ich Guidi weitere Fragen stellte.
    »Die

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