Im Saal der Toten
Empfänger der Hemden und des Gürtels war.«
»Steht in der Akte auch der Name eines Detectives?« Ich dachte daran, was uns Emilys Schwester noch erzählt hatte, während ich das Telefonbuch von Manhattan aufschlug, um nach einem Eintrag für Tormey zu suchen.
»Ja. Das wird dir gefallen. Emily Upshaw änderte ihre Anschrift an dem Tag, an dem die Anklage fallen gelassen wurde. Sie zog vom Washington Square in die West End Avenue zu einem Detective namens Aaron Kittredge.«
»Was? Sie ist bei einem Detective eingezogen?«
»Du hörst dich an, als hätte man ihr Gift eingeflößt. Könnte dir auch gut tun, Coop.«
Noah Tormey stand nicht im Telefonbuch. Ich stellte es wieder ins Regal und loggte mich ins Internet ein. »Ist Kittredge noch im Dienst?«
»Nein. Er ist vor fünf Jahren pensioniert worden. Seine Rentenschecks gehen nach wie vor an die Adresse auf der Upper West Side. Also los, Kid. Sattel dein Pferd.«
Laura kam ins Zimmer und reichte Mike ein Fax. »Andy Dorfman vom Gerichtsmedizinischen Institut hat gerade angerufen. Ich soll Ihnen das hier geben.«
»Das ist der vorläufige Untersuchungsbericht von einigen der Sachen, die man bei dem Skelett gefunden hat. Keine Überraschungen. Erstens stimmen die Pathologen mit ihm überein, dass die Knochen keine Verletzungen aufweisen, die zum Tod geführt haben könnten. Die wahrscheinlichste Todesursache ist nach wie vor, dass sie bei lebendigem Leib begraben wurde – in diesem Keller«, sagte Mike. »Die Ziegel sind circa zweihundert Jahre alt. Aber der Mörtel ist ein Zementgemisch, das es erst seit fünfzig Jahren gibt.«
»Diese Bröckchen, die Andy dir gezeigt hat – waren das wirklich Fingernägel?«
»Ja, Ma’am. Und hier steht, dass unter den Nägeln Zementreste waren.« Seine Stimme wurde leiser. »Die Tussi wollte raus.« Er überflog den Rest. »Was ist ›Vermeil‹?«
»Vergoldetes Silber.«
»Das ist alles, was uns Andy über den Ring sagen kann. Aber er hat noch etwas entdeckt: In eine der Kellertüren ist etwas in die Glasscheibe eingeritzt.«
»Welche Tür?« Mich hatte das Skelett so fasziniert, dass ich sonst kaum etwas wahrgenommen hatte.
»In der Ecke ist eine niedrige Tür mit zwei kleinen Fensterscheiben, die nach draußen führt. Jemand hat folgende Zeilen hineingeritzt.« Mike lächelte, als er aus Dorfmans Bericht zitierte:
»O Ängstlicher, lass nicht
Dich nieder in diesen weihelosen Wänden
Denn hierin liegt –«
Ich fiel ihm ins Wort und beendete den Vers:
»… Der Geist eines abscheulichen Verbrechens.«
18
»Glaub mir. Das weiß ich nicht aus meinen Büchern.«
»Woher kennst du diese Zeilen dann?«, fragte Mike erneut. Mercer war ins Büro gefahren, um sich mit den anderen Mitgliedern der Taskforce zu besprechen, und ich war mit Mike auf dem Weg nach Uptown zu Aaron Kittredge.
»Ich habe dir doch erzählt, dass Poe ein Jahr lang an der Universität von Virginia studiert hat. Er wohnte am Lawn – das ist auch heute noch der schönste Abschnitt des Campus. Die Professoren wohnten und unterrichteten in kleinen Pavillonhäuschen, und die Studentenzimmer waren um einen Innenhof herum angeordnet. Alles von Jefferson selbst entworfen. Angeblich hat Poe genau diese Worte eigenhändig in sein Fenster geritzt, bevor er die Uni verließ. Das Originalfenster mit dieser Inschrift ist so lange ich denken kann in der Rotunde der Uni ausgestellt.«
»Also war der Mörder vielleicht ein Kommilitone von dir.«
»In meinem Jahrgang mag es ein paar Gauner gegeben haben, aber so weit würde keiner gehen. Allerdings haben wir es wohl mit einem Täter zu tun, der Edgar Allan Poe in- und auswendig kannte.«
Kittredges Adresse entpuppte sich als kleine Mietskaserne in einer Seitenstraße der West End Avenue. Neben der Türklingel stand sein Name, aber auf Mikes Klingeln hin öffnete niemand. Es war halb sieben Uhr abends, und die Kälte und Dunkelheit trieben uns zurück ins Auto, wo wir abwarteten, ob wir Glück hätten.
Nach knapp einer Stunde bog ein stämmiger Mann mit grau meliertem Haar um die Ecke und ging die Stufen zum Haus empor.
Mike stieß die Autotür auf. »Kittredge!«
Der Mann blickte mit zusammengekniffenen Augen unsere Richtung.
»Chapman. Mike Chapman. Polizei.«
»Scheiß auf die Polizei«, rief Kittredge umgehend zurück und schloss die Tür auf.
Mike rannte die Stufen zum Eingang hoch und quetschte sich hinter Kittredge ins Haus. »Ich möchte mit Ihnen über eine alte
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