Im Saal der Toten
umbringen.«
»Wer hat ihn gefunden?«
»Wir warten noch auf einen Dolmetscher«, sagte Hal. »Der große Kerl dort drüben in der Khakihose – das ist der Parkverwalter. Die beiden Kleinen, die bei ihm sind, haben die Leiche aus dem Fluss gefischt. Vietnamesen.«
Ich folgte Mike zu dem Trio, das vor dem eisigen Wind unter ein paar Kiefern Schutz suchte.
»Sind Sie hier der Boss?«
»Phelps. Sinclair Phelps«, stellte sich der Parkverwalter vor. »Diese Männer arbeiten für mich.«
Phelps’ Gestalt hob sich gegen die grauen Felsen ab, die hinter mir das Flussbett säumten. Er war circa ein Meter achtzig groß, ein bisschen kleiner als Mike, und hatte langes, dichtes Haar, dessen silberne Einsprengsel aber darauf hindeuteten, dass er schon Mitte fünfzig war. Seine Adlernase verlieh ihm ein gestrenges Aussehen, und die jahrelange Arbeit im Freien hatte sein Gesicht zerfurcht wie eine Alligatorenhaut.
»Können Sie uns irgendetwas sagen?«, fragte Mike, nachdem er uns vorgestellt hatte.
»Nur, was Trun mir gesagt hat.« Phelps deutete auf den Schmächtigeren der beiden, die vor Kälte ebenso sehr zitterten wie ich.
»Sprechen Sie Vietnamesisch?«
»Nein«, sagte Phelps und lächelte. »Sie können ein paar Brocken Englisch und ihre Körpersprache ist ziemlich aussagekräftig. Ich kann Ihnen nur erzählen, was sie mir gesagt haben. Am späten Nachmittag – Miss Cooper, Ihnen scheint kalt zu sein. Wollen wir irgendwo nach drinnen gehen?«
»Lassen Sie es uns einmal hier draußen durchsprechen.« Mike verdrehte die Augen, während mir Hal Sherman ein Paar Gummihandschuhe reichte. Phelps trug einen Rundhalspullover über seiner Arbeitskleidung, und der nasskalte Wind schien ihm genauso wenig auszumachen wie Mike der den Kragen seines marineblauen Blazers aufgeklappt hatte. Wir anderen froren erbärmlich.
»Kennen Sie den Fluss?«
Ich schüttelte den Kopf, Hal und Mike nickten.
»Er ist fünfundzwanzig Meilen lang. Davon verlaufen sieben Meilen durch die Stadt und der Rest durch Westchester.«
»Mir kommt es spanisch vor, sich im Winter in einem Fluss umbringen zu wollen. Ich würde erwarten, dass er zugefroren ist.« Ich blickte zu den Eisschollen, die zwischen den Felsen und den schneebedeckten Zweigen durchschimmerten.
»Ist er auch, weiter oben im Norden. Dort ist er an ein paar Stellen nur ein paar Zentimeter tief«, sagte Phelps. »Aber hier ist das nicht der Fall, wegen des Wasserfalls.«
»Des Wasserfalls?«
»Ja, Ma’am. Sie schauen auf eine Schlucht. Hier entstand vor langer Zeit eine Gletscherspalte.« Er schaltete seine Taschenlampe ein, bückte sich und schob ein paar Kiefernzweige beiseite, damit wir ihm in den Wald folgen konnten.
Je näher wir dem Becken am Fuße des Wasserfalls kamen, desto lauter wurde das Geräusch des Wassers. Es war, als stünden wir in den Adirondacks, nicht mitten in New York City. Das eiskalte Wasser stürzte von einer dicht bewaldeten Anhöhe herab und schäumte in den Wasserstrudeln noch einmal auf, bevor es weiter flussabwärts floss.
»Ziemlich beeindruckend, nicht wahr? Was die weniger erfreuliche Seite angeht«, sagte Phelps, »holen unsere Arbeiter einmal die Woche den Abfall aus dem Fluss. Früher konnte man hier Einkaufswagen, Autoteile, Matratzen, allen möglichen Unrat finden. Wir haben versucht, das zu ändern. Heute waren Trun und Hang dafür verantwortlich, diesen Abschnitt des Flusses sauber zu machen.«
Die zwei Arbeiter waren wie Fischer gekleidet und trugen schwere Gummianzüge, hüfthohe Gummistiefel und Rollmützen. Phelps winkte sie herbei.
»Der Mann, den ihr gefunden habt«, sagte er. »Wo war er?«
»Zwischen Felsen«, antwortete Trun. »Da.«
Er zeigte ungefähr fünf Meter hinaus ins Wasser, wo sich zwischen zwei großen Felsen ein schäumender Strudel bildete.
»Wie haben sie ihn aus dem Wasser bekommen?«
»Mit einem Greifhaken«, sagte Phelps.
Hal flüsterte mir ins Ohr: »Gott sei Dank muss ich nicht die Autopsie machen! Nach einem Sturz den Wasserfall hinunter auf die Felsen wäre jeder Brei gewesen. Und dann stecken ihm die beiden auch noch eine Mistgabel zwischen die Rippen! Ichiko ist nur noch ein blutiger Klumpen, es ist mir ein Rätsel, wie der beste Gerichtsmediziner der Welt da irgendetwas herausfinden soll.«
Chapman wandte sich in die Richtung, wo die Autos standen. »Fragen Sie sie, warum sie nicht zuerst die Polizei gerufen haben, bevor sie ihn herausgezogen haben«, bat er Phelps.
»Das geht auf meine Kappe.
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