Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Saal der Toten

Im Saal der Toten

Titel: Im Saal der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
Vom Netzwerk:
haben Sie nichts Besseres zu tun, als Krankenbesuche zu machen?«, fragte Mike.
    Lieutenant Raymond Peterson, der Leiter der Mordkommission, stand mit einer Krankenschwester am Eingang zur Notaufnahme. Er streckte mir die Hand entgegen, um mir aus dem Krankenwagen zu helfen. »Ich war gerade auf dem Weg ins Büro, als ich von der Schießerei erfuhr. Ich wollte nur nachsehen, wie es Ihnen geht. Alles in Ordnung, Alex?«
    »Nicht schlimmer, als wenn ich vom Fahrrad gefallen wäre. Kann ich mich drinnen ein bisschen frisch machen?«, fragte ich die Krankenschwester.
    »Es wird sich sofort jemand um Sie beide kümmern. Sie müssen sich nur am Schalter anmelden. Man wird Sie in ein Untersuchungszimmer bringen und –«
    »Ich will wirklich keine Umstände machen. Ich habe mir nur die Hände ein bisschen aufgeschürft.«
    »Komm schon, Coop. Wir können uns ein Untersuchungszimmer teilen und diese süßen kleinen Kittel anziehen.«
    »Es ist Vorschrift, Ma’am. Wenn Sie in einem Krankenwagen kommen, müssen wir Sie untersuchen.«
    »Gehen Sie schon, Alex. Ich bleibe bei Mike, damit er erst gar nicht auf die Idee kommt, die Frühpensionierung zu beantragen«, sagte der Lieutenant. Cops bekamen eine großzügige Pension, wenn sie wegen einer Verletzung frühzeitig aus dem Polizeidienst ausschieden.
    Es dauerte nicht lang festzustellen, dass wir außer leichten Schnitt- und Schürfwunden keine schlimmeren Verletzungen hatten. Noah Tormey wurde in den OP-Saal gebracht, um die Kugel aus seiner Schulter zu entfernen, und wir erzählten Peterson, was am Vormittag vorgefallen war.
    »Gibt’s was Neues von Dr. Ichikos Autopsie?«, fragte Mike.
    Wir wussten beide, dass sich Tod durch Ertrinken nicht eindeutig diagnostizieren ließ. In den meisten Fällen zogen die Gerichtsmediziner auf Grund der Todesumstände diese Schlussfolgerung.
    »Wasser in den Lungen?«, fragte ich.
    »Ja, aber laut Dr. Kirschner ist das nicht von entscheidender Bedeutung. Bei so starken Turbulenzen wie bei diesen Wasserfällen dringt das Wasser sogar noch nach dem Tod in die Organe. Die Schädeldecke weist einen Riss auf–«
    »Und das soll kein Mord sein?«, fragte Mike. »Der Selbstmörder schlägt sich den Schädel ein, bevor er sich in den Whirlpool stürzt?«
    »Kirschner will noch nichts Offizielles verlautbaren«, sagte Peterson. »Laut seiner Aussage würde sich jeder, der diesen Wasserfall hinunter auf die Felsen stürzt – freiwillig oder unfreiwillig –, den Kopf aufschlagen.«
    »Aber würde eine Verletzung vor dem Tod nicht anders aussehen als eine, die danach entstanden ist?«, fragte ich.
    »Der Doc sagt Nein, Alex. Das Wasser verstärkt das Bluten und verhindert die Blutgerinnung. Das Blut sickert noch nach dem Tod nach, was eine Unterscheidung unmöglich macht.«
    »Todeszeitpunkt?«, fragte Mike.
    »Ichiko war schon total verrunzelt«, sagte Peterson. »Aber laut Kirschner kann das bei den momentanen eisigen Wassertemperaturen schon nach einer halben Stunde der Fall sein. Schwer zu sagen, wie lange er im Wasser lag. Was die gute Nachricht angeht: Wir können vielleicht Aurora Tait offiziell für tot erklären.«
    »Was ist passiert?«
    »Das Vermisstendezernat fand eine ungefähr fünfundzwanzig Jahre alte FBI-Akte mit ihrem Namen drauf. Sie schicken noch heute den Zahnstatus ans FBI.«
    »Hat sie noch Familie?«, fragte ich. »Wo kommt sie her?«
    »Die Eltern sind tot. Sie hat zu Hause noch einen Bruder. Außerhalb von Minneapolis.«
    Dieser Herkunftsort überraschte keinen altgedienten Polizisten oder Staatsanwalt. Vor der Säuberung und Disneyfizierung von Midtown-Manhattan in den neunziger Jahren war die Gegend um die 42. Straße und Eighth Avenue als »Minnesota Strip« bekannt gewesen. Unglückliche Jugendliche aus dem Mittleren Westen strömten in die große Stadt – die meisten kamen mit dem Bus am Port-Authority-Bahnhof an. Dort wurden sie von erfahrenen Zuhältern in Empfang genommen, die sich als gute Samariter ausgaben und ihnen Essen und Unterkunft anboten, bis sie Arbeit und eine Bleibe gefunden hatten. Die Schwachen unter ihnen waren innerhalb von Wochen drogen- oder alkoholabhängig und verkauften ihren Körper. Gut möglich, dass Aurora Tait eine von ihnen gewesen war.
    »Hören Sie, Coop und ich müssen uns noch um ein paar Sachen –«
    »Zuerst ziehen Sie sich um, und dann bringen Sie sie zum Bezirksstaatsanwalt. Er hasst es, als Letzter über solche Kapriolen informiert zu werden.«
    »Haben Sie schon mit ihm

Weitere Kostenlose Bücher