Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Saal der Toten

Im Saal der Toten

Titel: Im Saal der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
Vom Netzwerk:
die sanfte Tour, oder ich schicke ihm eine Vorladung, gegen die er dann gerichtlich vorgehen muss.«
    »Ich rede mit Pat.« Sie nahm die Unterlagen und verließ mein Büro.
    »Was noch?«, fragte Mike.
    »Laut Computerabteilung hat Teddy Kroon einige Dateien auf Emily Upshaws Computer gelöscht, bevor er den Notruf wählte. Wir müssen herausfinden, ob er sie ausgedruckt hat oder nur vernichten wollte«, sagte Mercer.
    Er reichte mir die Ausdrucke von Emilys Computerdateien. Einige schienen Artikel zu sein, an denen Emily gearbeitet hatte. Die konnten Mike und ich später lesen.
    Das letzte Dokument war ein Briefentwurf an Sally Brandon, den Emily wenige Tage vor ihrem Tod verfasst hatte. Emilys Tochter, Sallys Ziehtochter, hatte vor kurzem ihre Geburtsurkunde angefordert, um einen Reisepass zu beantragen. Dabei hatte das Mädchen erfahren, dass in Wirklichkeit Emily ihre Mutter war. Sie hatte Emily angerufen und gefragt, ob sie nach New York kommen könne, um sich mit ihr zu treffen.
    In dem Brief teilte Emily Upshaw ihrer Schwester diese überraschende Entwicklung mit. Außerdem erwähnte sie, Noah Tormey vor einer Woche angerufen und ihm gesagt zu haben, dass sie ihn sehen müsse.

 

25
     
    Der Mann, der uns am späten Nachmittag die Tür zu dem Brownstone-Haus in der 55. Straße Ost öffnete, saß im Rollstuhl. Mercer wies sich aus und fragte, ob wir hereinkommen dürften.
    »Und wen suchen Sie, Detective?«
    »Dessen bin ich mir nicht sicher, aber wir würden gerne bei Ihnen anfangen.«
    Der Mann drückte sich von der Tür ab und ließ uns ein. »Ich heiße Zeldin. Hilft Ihnen das?«
    »Genau genommen«, sagte Mike, »interessieren wir uns für den Rabenverein. Kennen Sie ihn?«
    Zeldin lächelte breit. »Bitte kommen Sie herein, und nehmen Sie Platz. Darüber rede ich immer gern.«
    Ich erkannte den Südstaatenakzent. Es war der gleiche, den ich auf dem Anrufbeantworter gehört hatte, als ich die Wahlwiederholung von Dr. Ichikos Handy gedrückt hatte.
    Er wendete und rollte uns voran in einen Raum, der zu einer riesigen Bibliothek umgebaut worden war. Hunderte ledergebundene Bücher und moderne Erstausgaben in Plastikschutzumschlägen säumten die Wände. Wir stellten drei Stühle nebeneinander und setzten uns unserem Gastgeber gegenüber.
    »Mr Zeldin«, begann Mike, »ist das Ihr Nachname oder –«
    »Einfach nur Zeldin. Kein ›Mister‹, kein anderer Name.«
    Der Mann war fraglos ein schrulliger Kauz. Er trug eine burgunderfarbene Smokingjacke und eine maßgeschneiderte graue Hose. Sein teures Haarteil war so betagt, dass es farblich nicht mehr zu dem grauen Haarwuchs rund um seine Ohren passte. Zeldin war wahrscheinlich knapp sechzig, aber seine zarte Haut ließ ihn jünger aussehen. Auf der Stereoanlage spielte das Sgt. Pepper- Album der Beatles, und starker Weihrauchgeruch überdeckte den süßlichen Duft eines Joints.
    »Wir haben ein paar Fragen über den Verein. Eigentlich wissen wir gar nichts über ihn.«
    »Das hoffe ich. Wir sind nicht dafür bekannt, uns in der Öffentlichkeit zu produzieren, Detective.« Er sah uns an. »Darf ich fragen, was Sie hierher führt?«
    »Der Telefonanruf eines Toten«, sagte Mike.
    Zeldins Lächeln verschwand. »Wen meinen Sie damit?«
    »Wie lautet Ihre Telefonnummer?«
    Zeldin nannte die gleiche Nummer, die Mike von der Handyanzeige notiert hatte.
    »Wer hat Sie gestern angerufen? Vermutlich am späten Nachmittag, vielleicht etwas früher.«
    »Ich war nicht zu Hause, Detective. Ich war den ganzen Tag in meinem Büro. Ich bin Frührentner, aber ich habe mein Büro behalten und halte mich hin und wieder dort auf.«
    »Haben Sie einen Anrufbeantworter?«
    »Natürlich. Sie können ihn gerne abhören. Gestern rief nur mein Antiquar an und jemand, der auflegte, ohne eine Nachricht zu hinterlassen. Vielleicht meinen Sie den. Vielleicht hat sich aber auch nur jemand verwählt.«
    Anhand der Telefonunterlagen und der Länge des Telefonats könnten wir überprüfen, ob es stimmte, dass der Anrufer aufgelegt hatte.
    »Wie heißt der Tote?«
    »Er war Arzt«, sagte Mike. »Wo-Jin Ichiko.«
    Zeldin kratzte sich am Kopf, so sanft, dass sich seine Perücke nicht verschob. »Der Name sagt mir nichts.«
    »Haben Sie heute schon die Nachrichten gehört? Der Mann, der im Bronx River ertrunken ist?«
    »Ja, davon habe ich gehört – mein Büro liegt in der Bronx –, aber ich kenne den Mann nicht.«
    Ich hätte gerne gewusst, welches Leiden Zeldin an den Rollstuhl fesselte und

Weitere Kostenlose Bücher