Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Saal der Toten

Im Saal der Toten

Titel: Im Saal der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
Vom Netzwerk:
immer Geld – ich wusste nicht, dass sie das meiste davon für Alkohol und Drogen ausgab. Zwei, drei Mal schrieb sie auch Artikel für mich, die unter meinem Namen veröffentlicht wurden. Ich brauchte sie für meine Beförderung.«
    »Verstehe.«
    »Als man sie verhaftete, rief sie mich an, weil ich ihr Geld schuldete. Einige hundert Dollar, wenn ich mich nicht irre. Wahrscheinlich war ich der Einzige, den sie um Geld bitten konnte.«
    Tormey drehte nachdenklich den Kopf zur Seite, aber ich sah, dass er Tränen in den Augen hatte.
    »Ich werde mir morgen Emilys Uniunterlagen ansehen.« Ich bluffte, obwohl ich das über kurz oder lang ohnehin vorhatte. »Welches Seminar hat sie bei Ihnen belegt?«
    Er schwieg.
    »Professor Tormey?«
    »Emily war in keinem meiner Seminare. Sie werden das aus ihren Uniunterlagen ersehen können.«
    »Aber sie war Ihre Hilfskraft?«
    Er nickte langsam.
    »Wie ist sie dann auf Sie gekommen? Wie haben Sie sich kennen gelernt?«
    »Bevor Emily …«, begann er, brachte dann aber kein Wort mehr heraus.
    »Bevor Emily nach New York kam?«, fragte ich.
    Tormey sprach so leise, dass ich mein Ohr an seinen Mund legen musste, um ihn zu verstehen. »Emily kam wegen mir nach New York. Ich weiß nicht, was Ihnen Emilys Familie erzählt hat, Miss Cooper. Ich habe damals, in ihrem letzten Schuljahr, das Auswahlgespräch mit ihr geführt. Sie war allein in der Stadt, und wir, äh, wir haben etwas Zeit miteinander verbracht.«
    Die Geschichte, die uns Emilys Schwester erzählt hatte, gewann eine neue Bedeutung, als Tormey sagte: »Ich bin derjenige, von dem sie schwanger wurde.«

 

24
     
    Ich wusste, was uns erwarten würde, sobald wir im Presbyterian Hospital ankamen. Ein medizinisches Team würde uns in Empfang nehmen und entscheiden, ob Tormey sofort operiert werden musste. Falls er eine Vollnarkose bekam, könnten wir von Glück reden, in achtundvierzig Stunden wieder mit ihm sprechen zu können.
    »Wir haben jetzt keine Zeit, um um den heißen Brei herumzureden, Professor. Ich muss die Wahrheit wissen, oder ich kann Sie nicht schützen.«
    »Aber ich dachte, der Mord an Emily wäre ein Willkürakt gewesen – jemand ist ihr von der Straße ins Haus gefolgt.«
    »Mag sein. Ich bin zufällig anderer Meinung. Es passieren zu viele Dinge, die scheinbar irgendwie zusammenhängen. Haben Sie jemals versucht, mit Ihrem und Emilys Kind Kontakt aufzunehmen?«
    Tormey sah mir in die Augen. »Das Baby starb, Miss Cooper. Das Mädchen war eine Totgeburt.«
    »Hat Emily Ihnen das gesagt?«
    »Ja. Und ihre Mutter auch. Wir haben ein, zwei Mal miteinander telefoniert. Ich fühlte mich verantwortlich, dass Emily von ihrer Familie verstoßen worden war. Es war eine Ironie des Schicksals, dass sie das Baby dann trotzdem verloren hat.«
    Die Wahrheit – dass sein Kind von Emilys Schwester aufgezogen worden war – konnte noch ein, zwei Tage warten.
    »Dauerte Ihre Beziehung mit Emily an?«
    »Sie meinen sexuell? Nein, nicht nachdem sie nach New York gezogen war und das Studium aufgenommen hatte. Sie träumte von einer gemeinsamen Wohnung. Ich sollte ihr die Familie ersetzen, die sie verloren hatte. Ihre Schwangerschaft war eine ziemlich ernüchternde Erfahrung für uns beide – na ja, den Ausdruck sollte ich wohl besser nicht verwenden. Ich war einige Jahre älter als sie und habe bald darauf jemand Passenderen kennen gelernt. Genauer gesagt, meine zukünftige Frau.«
    Der Sanitäter bedeutete mir, ihm aus dem Weg zu gehen, als der Krankenwagen in die 168. Straße einbog.
    »Wir sind fast da, Professor. Erinnern Sie sich an die Namen, die Detective Chapman genannt hat? Wir waren noch nicht fertig.«
    Tormey seufzte.
    »Haben Sie jemals jemanden namens Monty kennen gelernt?«
    »Wen?« Die Schmerzen und die Angst ermüdeten ihn.
    »Emily lebte vor ihrer Verhaftung mit ihm zusammen. Er hat möglicherweise etwas getan, was ihr Angst machte.«
    »Davon weiß ich nichts.«
    »Was hatte es mit der heutigen Zeremonie auf sich? Woher rührt Ihr Interesse an Poe?«
    Tormey lächelte und schloss die Augen. »Das habe ich Ihnen doch schon gesagt. Der Mann war ein Genie.«
    »Dachte Emily das auch?«
    »Ich weiß nicht, was sie dachte, Miss Cooper. Sie arbeitete für mich. Sie tat, worum ich sie bat.«
    Der Krankenwagen ruckelte, als der Fahrer bremste und rückwärts in die Parkbucht fuhr. Man schob Noah Tormeys Bahre aus dem Wagen auf ein Metallgestell und brachte ihn durch die Automatiktüren nach drinnen.
    »Hey, Loo,

Weitere Kostenlose Bücher