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Im Saal der Toten

Im Saal der Toten

Titel: Im Saal der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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nichts verstecken.
    Auf die Frage, ob so etwas schon mal vorgekommen sei, antwortete Kathleen Bailey: »Nein. Noch nie.«
    »Was ist mit dem Fundament?«, fragte Mike. Es hörte sich an, als stünde er im Freien, oben auf den Eingangsstufen.
    »Hier drüben sind Steine«, sagte Mercer. »Ich versuch’s mal links bei dem Gitterwerk.«
    Ich hörte einige dumpfe Schläge und dann das Splittern von Holz. Mercer hatte wahrscheinlich die schön geschnitzte Verkleidung unterhalb der alten Veranda durchgetreten.
    »Seid ihr schon hier drin gewesen?«
    Jemand, dessen Stimme ich nicht kannte, entriegelte die Kellertür. Ich stöhnte und wand mich erneut.
    »Da ist niemand«, kam die Antwort. »Dort hat man schon nachgesehen.«
    Die Tür, die einen Spaltbreit geöffnet worden war, fiel wieder ins Schloss.
    Von meinen Versuchen, den Knebel zu lockern, war meine Mundhöhle ganz wund. Beim Schlucken schmeckte ich Blut.
    Mike und Mercer standen wieder vor dem Eingang zum Cottage. »Ich dreh mal eine Runde durchs Viertel. Sie ist offensichtlich nicht mehr hier«, sagte Mike. »Wahrscheinlich redet sie dem kleinen Scheißer ins Gewissen, der den Jungen auf dem Spielplatz verprügelt hat.«
    »Ich gehe nicht weg«, sagte Mercer. »Eher nehme ich den ganzen Park auseinander. Sie kennt sich in der Bronx nicht aus. Wenn ich es dir sage: Sie ist nirgendwo hingelaufen.«
    »Was hätte ihr denn passieren sollen?«, fragte Mike.
    »Wir waren nicht einmal zehn Minuten weg. Sie ist ein Hitzkopf, aber so ungeduldig ist sie auch wieder nicht, dass –«
    »Mach, was du willst. Aber lass mir ein paar Streifenpolizisten hier.«
    Bleib bei mir, Mercer! Bitte bleib bei mir!
    Ich hörte, wie Mike sich entfernte. »Wenn du einen Spürhund brauchst, dann sag mir Bescheid. Oder schnüffel einfach an den Bodenbrettern nach diesem Chanelzeug, das sie trägt.«
    Bodenbretter. Ganz genau! Hör mit deinen blöden Sprüchen auf, und hol mich hier raus!
    Ich zählte fünf Stufen, die Mercer wieder zur Eingangstür hochging. Minuten vergingen, und die feuchte Kälte drang in meine Knochen. Vielleicht bildete ich es mir nur ein, aber mir kam es vor, als würden Würmer oder Spinnen an meinen Beinen hochkrabbeln. Jetzt kamen einige Leute aus dem Haus und unterhielten sich auf der Veranda, bevor einer von ihnen die Treppe hinunterging.
    »Er ist zu feucht, um darin etwas zu lagern«, rief Kathleen Bailey. »Er ist seit Jahren unbenutzt.«
    Ich hörte Schritte, die direkt vor der Eingangstür zum Vorratskeller stehen blieben.
    Der Riegel wurde geöffnet und die Tür ging auf.
    Ein Mann duckte sich in den Raum. Ich hoffte, dass es Mercer war, aber die Zwischenräume zwischen den Brettern waren so klein, dass ich nur die Sohle eines großen Schuhs und ein dunkles Hosenbein sehen konnte.
    Ich presste die Schultern gegen den Boden, drückte die Hüften nach oben und rieb mit dem Metallreißverschluss meines Anoraks gegen das Brett über meinem Bauch.
    Der Mann über mir blieb stehen und lauschte. Er drehte sich um, kniete sich auf den Boden und legte ein Ohr an die Bretter. Ich wand mich hin und her und gurgelte eine Mischung aus Spucke und Blut.
    »Ich höre dich, Alex«, sagte Mercer. »Halt durch, ich hol dich da raus.«

 

32
     
    Der Röntgenassistent schob die riesige Röhre des Kernspintomographen zurück, in dem ich gelegen hatte. »Sie können die Augen wieder aufmachen. Geht es Ihnen gut?«
    Ich hatte mich dagegen gesträubt, mich erneut in eine enge Röhre sperren zu lassen. Eine klaustrophobische Erfahrung am Tag reichte mir. Ich nickte ohne großen Enthusiasmus.
    »Wie spät ist es eigentlich?« Ich hatte den ganzen Nachmittag in der Notaufnahme verbracht, wo man mich durchgecheckt und geröntgt hatte, bevor der Arzt die MRT-Untersuchung anordnete.
    »Kurz vor sechs.«
    »Kann ich jetzt gehen?«
    »Dr. Schrem möchte Sie über Nacht hier behalten, Miss Cooper.«
    Ich setzte mich auf und schnürte meinen Kittel zu. »Es geht mir gut. Wirklich. Die Kopfschmerzen sind praktisch –«
    »Es wäre besser, wenn Sie über Nacht hier bleiben würden«, sagte der Röntgenassistent und bat mich, im Rollstuhl Platz zu nehmen. »Sie wissen nicht einmal, womit man Sie auf den Kopf geschlagen hat. Schon eine leichte Gehirnerschütterung muss beobachtet werden.«
    Widerrede war zwecklos. Er reichte meine Akte einem älteren Herrn, dessen einzige Aufgabe scheinbar darin bestand, mich in dem riesigen NYU-Krankenhaus von Wartebereich zu Wartebereich zu begleiten. Er nahm

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