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Im Saal der Toten

Im Saal der Toten

Titel: Im Saal der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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– auf Spanisch –, die sich aber von mir entfernten.
    Wieder Stimmen. Dieses Mal aus der anderen Richtung. Eine Männerstimme. Es war Mercer Wallace. Er rief meinen Namen und machte dabei Türen auf und zu. Ich musste irgendwo im Poe Cottage sein.
    Er und Mike würden doch bestimmt nicht vergessen, dass uns die bizarren Erzählungen des Dichters über Lebendbegräbnisse auf die Spur eines Killers gebracht hatten. Sicher würden sie überall nach mir suchen, bevor sie das kleine Haus verließen und abschlossen. Mein »dumpfer, schneller Herzschlag« – wie der des verräterischen Herzens – kam mir ohrenbetäubend laut vor. Wie hatte Poe dieses Geräusch beschrieben, das den Mörder überall verfolgte? Wie das »Geräusch einer in Watte gehüllten Uhr«.
    Die Stimmen und Schritte kamen näher. Meine Arme waren hinter meinem Rücken gefesselt – wahrscheinlich mit meinem Wollschal – und meine kribbelnden Hände waren unter meinen Oberschenkeln eingeklemmt. Ich versuchte mein rechtes Bein zu bewegen, um mit dem Knie gegen das Brett über mir zu schlagen. Aber die Kiste war so eng, dass ich es nur ein, zwei Zentimeter anheben konnte. Ich rieb mit dem Bein an dem Holz, verursachte aber kein Geräusch.
    In meinem Hinterkopf pochte es fürchterlich. Ich hob den Kopf und schlug damit gegen die Bretter. Das Geräusch, das ich machte, war wohl kaum lauter als mein Herzschlag.
    »Was ist hier drin?«
    Es war Mikes Stimme, und fast hätte ich ob meiner lächerlichen Panik erleichtert gelacht. Schließlich waren meine beiden engsten Freunde nur ein paar Meter entfernt!
    »Nichts«, antwortete Kathleen Bailey. »Nur der Vorratskeller.«
    Natürlich war mir der schiefe kleine Anbau rechts vom Eingang zum Cottage aufgefallen. Die Tür ging nach hinten hinaus, auf die Straße, durch die wir gekommen waren, bevor wir das Auto parkten. Der Verschlag war mir nicht größer als ein Puppenhaus erschienen. Kein Wunder, dass ich mich so beengt fühlte.
    Seitlich über mir ging eine Tür auf. Ich stöhnte und ächzte, aber der Knebel dämpfte die Geräusche und die Stimmen von Mike und Kathleen übertönten meine kläglichen Bemühungen, auf mich aufmerksam zu machen. Die Tür wurde wieder geschlossen und der Riegel vorgeschoben.
    »Wahrscheinlich ist sie so dumm gewesen, diesem Jungen hinterherzulaufen«, sagte Mike. »Ich rufe die Streife an und erkundige mich, ob sie im Revier sitzt.«
    Die Schritte entfernten sich.
    »Ich dachte, sie hätte das Cottage hinter mir verlassen«, sagte Bailey. »Aber ich habe sie nicht durch das Tor rennen sehen.«
    Mercers tiefe Stimme klang nahe, als er Mike hinterherrief: »Im Wasser ist Alex flink wie ein Fisch, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie jemandem zu Fuß hinterhergelaufen ist. Das sieht ihr nicht ähnlich.«
    Verlass mich nicht, Mercer!, betete ich. Welche Ironie! Wie sehr meine Lage doch Poes Klassiker ähnelte – die Beamten, die plaudernd über dem Vergrabenen standen und mit seiner Angst Spott trieben, ohne ihn zu hören.
    Ich wand mich hin und her. Die Geräusche, die ich machte, erschienen mir so laut wie Donner. Warum hörte mich niemand? Ich kaute an dem Knebel, aber mir wurde schnell schwindlig. Ich zwang mich ruhig liegen zu bleiben, bis jemand zur Kellertür kam. Ich musste fest daran glauben, dass das passieren würde.
    Die Feuchtigkeit drang durch meine Hose, und ich fröstelte. Ich versuchte, meine linke Hand unter dem Oberschenkel hervorzuziehen. Ich konnte sie ein, zwei Zentimeter bewegen, dann stieß ich gegen etwas Kaltes, Schleimiges. Etwas, das sich bewegte.
    Aber ich lag ja auch in einem Vorratskeller. Wahrscheinlich eine Schnecke oder ein Wurm. Ein »Siegerwurm«, der in meinem Grab auf mich wartete. So hatte ihn Poe in seiner Erzählung Ligeia genannt.
    Warum hatte man mich hierher gebracht? Was hatten meine Kidnapper mit mir vor, sobald die Polizei weg war?
    Jetzt hörte ich Geräusche in dem Raum über mir. »Macht alles auf«, hörte ich Mercers Stimme. »Alles.«
    Schritte eilten durch das winzige Cottage, Türen wurde auf- und zugeschlagen, Möbel hin- und hergerückt. Ich schloss die Augen und versuchte mir die Räume vorzustellen, die wir vorhin besichtigt hatten. In der Küche stand ein Schrank, aber im Wohn- und Schlafzimmer gab es nicht einmal einen Wandschrank.
    »Der Kamin«, sagte Mike. »Gibt es dort irgendwelche Falltüren?«
    Jemand lief die enge Treppe in den ersten Stock hinauf. Das hätten sie sich sparen können. Dort oben konnte man

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