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Im Schatten der Akazie

Im Schatten der Akazie

Titel: Im Schatten der Akazie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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jeden Tag war die göttliche Macht geweckt worden, und die Göttin Maat hatte zum König sagen können: »Du lebst durch mich, der Wohlgeruch meines Taus verleiht dir neue Kraft, deine Augen sind Maat.«
    Ramses’ und Nefertaris Tochter lehnte die Laute an den Stamm der Sykomore.
    »Du bist die Königin Ägyptens, Merit-Amun.«
    »Wenn du so mit mir sprichst, Majestät, bedeutet das, daß du dich anschickst, meine Ruhe zu stören.«
    »Mich ficht das hohe Alter an, Merit-Amun. Bakhen wacht 387

    über das Gedeihen von Karnak, und seine Tage umfassen mehr Pflichten als Stunden. Sei du, meine Tochter, die Hüterin meines Tempels für die Ewigkeit. Dank seiner Magie haben deine Mutter und ich manches widrige Geschick überwunden.
    Trage du dafür Sorge, daß Riten und Feste zur rechten Zeit abgehalten werden, auf daß das Ramesseum auch weiterhin seine Wirkkraft ausstrahle.«
    Merit-Amun küßte die Hand des Königs.
    »Mein Vater … Du weißt doch, daß du uns nie verlassen wirst.«
    »Zum Glück entgeht kein Mensch dem Tod.«
    »Haben die Pharaonen nicht über ihn triumphiert? Obgleich er dir sehr harte Schläge versetzt hat, konntest du ihm trotzen, und ich glaube sogar, du hast ihn bezwungen.«
    »Er wird das letzte Wort haben, Merit-Amun.«
    »Nein, Majestät. Der Tod hat die Gelegenheit, dich auszulöschen, vorübergehen lassen. Heute steht dein Name auf allen bedeutenden Bauwerken Ägyptens, und dein Ruhm reicht über unsere Grenzen hinaus. Ramses kann nicht mehr sterben.«

    Der Aufstand der Libyer war niedergeschlagen, es herrschte wieder Frieden, Ramses’ Ansehen wuchs unaufhörlich, doch auf dem Arbeitstisch von Ameni, der zunehmend verdrießlicher wurde, sammelten sich Schriftstücke unerfreulichen Inhalts an. Und einem unlösbaren Mißstand, an dem sich der Oberste Schreiber des Königs die Zähne ausbiß, konnte weder der Oberbefehlshaber Merenptah noch der Oberpriester Kha Abhilfe schaffen. Selbst der Wesir hatte sich für nicht zuständig erklärt. An wen sollte er sich jetzt noch wenden, wenn nicht an Ramses?
    »Ich mache dir ja keinen Vorwurf, Majestät, daß du dich auf Reisen begibst«, beteuerte Ameni, »aber sobald du der 388

    Hauptstadt fern bist, neigen die Ärgernisse dazu, sich zu häufen.«
    »Ist unser Wohlstand etwa in Gefahr?«
    »Nein, aber ein winziger Fehler kann ein riesiges Bauwerk zum Einsturz bringen. Freilich beschäftige ich mich nicht mit Erhabenem, sondern nur mit den Widrigkeiten des Alltags.«
    »Ersparst du mir eine lange Vorrede?«
    »Mir ist eine Klage vom Vorsteher der Stadt Somenu in Oberägypten zugegangen. Der heilige Brunnen, der den Ort speist, versiegt zur Zeit, und die dortige Priesterschaft erweist sich als unfähig, dieses Unheil abzuwenden.«
    »Hast du Sachkundige hingeschickt?«
    »Willst du mir unterstellen, daß ich mein Amt unzureichend erfülle? Eine ganze Armee von Fachleuten ist bereits gescheitert, und ich muß mich weiterhin mit diesem tückischen Brunnen und einer verängstigten Bevölkerung herumschlagen.«

    Mehrere Frauen hatten sich am Ufer eines Kanals eingefunden, der die Felder der Stadt Somenu bewässerte. Mitten am Nachmittag waren sie hergekommen, um ihr Geschirr zu spülen, in angemessenem Abstand von den Wäschern, denen ein anderer Abschnitt des Kanals vorbehalten war. Sie schwatzten, tauschten Vertraulichkeiten aus, erzählten sich den neuesten Klatsch und versagten es sich nicht, abfällige Bemerkungen über den einen oder die andere zu machen. Die schärfste Zunge in der ganzen Stadt hatte Brünette, die hübsche Frau eines Tischlers.
    »Wenn der Brunnen ausgetrocknet ist«, sagte sie, »dann müssen wir aus der Stadt fortziehen.«
    »Ausgeschlossen!« wandte eine Dienerin ein. »Meine Familie lebt seit mehreren Generationen hier, ich möchte nicht, 389

    daß meine Kinder woanders aufwachsen.«
    »Wie willst du das anstellen, ohne das Wasser des Brunnens?«
    »Die Priester müssen sich etwas einfallen lassen.«
    »Sie schaffen es aber nicht. Selbst der weiseste von ihnen ist nicht imstande, diesem Übel zu wehren.«
    Da näherte sich ein blinder und hinkender alter Mann den Frauen.
    »Ich habe Durst … Gebt mir zu trinken, ich bitte euch.«
    Brünette wies ihn harsch ab.
    »Belästige uns nicht mehr, du Herumtreiber. Verdiene dir etwas, dann hast du auch zu trinken.«
    »Das Glück hat sich von mir abgewandt, Krankheit hat mich befallen, und …«
    »Diese Geschichte haben wir schon zu oft gehört.
    Verschwinde, sonst werfen wir

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