Im Schatten der Akazie
zum Oberpriester ernannt hatte, war sich Nebou durchaus darüber im klaren gewesen, wieviel dem jungen Herrscher daran lag, daß Karnak ihm gehorchte und nicht nach Unabhängigkeit strebte. Dennoch war Nebou kein Strohmann, sondern hatte gekämpft, damit Karnak nicht zugunsten anderer Tempel zurückgesetzt wurde. Da der Pharao es sich jedoch angelegen sein ließ, die Harmonie im ganzen Land zu erhalten, war Nebou ein glücklicher Tempelvorsteher gewesen.
Von Bakhen über alles unterrichtet, verließ der Greis kaum noch seine bescheidene Wohnung neben dem heiligen See von Karnak. Des Abends bewässerte er allerdings gern selbst die zwei Beete voller Iris zu beiden Seiten seiner Eingangstür.
Besaß er einmal auch dazu nicht mehr genügend Kraft, würde er den König bitten, ihn von seinen Ämtern zu entbinden.
Als er einen Mann zwischen den Blumen kauern und Unkraut zupfen sah, machte Nebou keinen Hehl aus seinem Unmut.
»Niemandem ist es gestattet, meine Iris anzurühren!«
Da stand Ramses auf und wandte sich um.
»Nicht einmal dem Pharao von Ägypten?«
»Majestät, ich bitte dich …«
»Du hast recht, daß du selbst über diesen Schatz wachst, Nebou. Dein Werk kommt Ägypten und Karnak zugute.
Blumen pflanzen, sie wachsen sehen, dieses zerbrechliche und so schöne Leben hegen und pflegen … Gibt es eine vornehmere Aufgabe? Nach Nefertaris Tod habe ich daran gedacht, Gärtner zu werden, fernab vom Thron, fernab aller Macht.«
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»Das darfst du nicht, Majestät.«
»Von dir hätte ich mir mehr Verständnis erhofft.«
»Daß ein Greis wie ich sich nach Ruhe sehnt, ist nur recht und billig, aber du …«
Ramses betrachtete den aufgehenden Mond.
»Ein Unwetter braut sich zusammen, Nebou. Ich brauche zuverlässige und sachkundige Männer, um den entfesselten Naturgewalten zu trotzen. Wie alt du auch bist und sosehr deine Gesundheit zu wünschen übrig läßt, verschiebe deine Pläne, dich zur Ruhe zu setzen, auf später. Führe weiterhin mit fester Hand die Aufsicht über Karnak.«
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VIER
DER BOTSCHAFTER AUS Hatti, ein hagerer Mann von etwa sechzig Jahren, erschien vor dem Amt für die Beziehungen zu den Fremdländern. Wie es der Sitte entsprach, legte er einen Strauß aus Chrysanthemen und Lilien auf den Opfertisch zu Füßen des steinernen Pavians, der den Gott Thot verkörperte, den Beschützer der Schreiber, der heiligen Hieroglyphen und des Wissens. Dann wandte er sich an den mit aufgepflanzter Lanze am Eingang stehenden Wachsoldaten.
»Der Oberste Gesandte erwartet mich«, erklärte er in barschem Ton.
»Ich sage ihm Bescheid.«
Ungeduldig lief der Botschafter auf und ab. Er trug ein rotblaues Gewand mit Fransen, sein schwarzes Haar glänzte, weil er es mit einem Duftöl eingerieben hatte, und der dunkle Kinnbart verlieh seinem Gesicht etwas Düsteres.
Da kam Acha lächelnd auf ihn zu.
»Hoffentlich habe ich dich nicht zu lange warten lassen?
Gehen wir in den Garten, dort sind wir ungestört.«
Rund um ein Wasserbecken, auf dem blaue Lotosblüten schwammen, spendeten Palmen und Jujuben angenehmen Schatten. Ein Diener stellte Alabasterschalen mit Bier und einen Korb Feigen auf einen Tisch, dann entfernte er sich wieder.
»Sei ohne Sorge«, versicherte Acha, »hier kann uns niemand belauschen.«
Doch der hethitische Botschafter zögerte, sich auf den hölzernen Faltstuhl zu setzen, den ein grünes Kissen zierte.
»Wovor hast du denn Angst?«
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»Vor dir, Acha.«
Der Vorsteher der ägyptischen Gesandtschaften behielt dennoch sein Lächeln bei.
»Es stimmt zwar, daß ich mich einst als Spion betätigt habe, aber diese Zeiten sind vorbei. Jetzt bekleide ich ein hohes Amt, lege Wert auf meine Ehrbarkeit und habe nicht mehr die leiseste Absicht, mich in unlautere Machenschaften zu stürzen.«
»Weshalb sollte ich dir trauen?«
»Weil ich, wie du, nur ein einziges Ziel verfolge: den Frieden zwischen unseren zwei Völkern zu stärken.«
»Hat der Pharao den letzten Brief König Hattuschilis schon beantwortet?«
»Selbstverständlich. Ramses hat ihm gute Neuigkeiten von Königin Iset und seinen Pferden berichtet und seiner Freude Ausdruck verliehen, weil der Vertrag, der Ägypten und Hatti für immer miteinander verbindet, so vortrefflich eingehalten wird.«
Die Miene des Botschafters verfinsterte sich.
»Aus unserer Sicht ist das völlig unzureichend.«
»Was erhofft ihr euch darüber hinaus?«
»König Hattuschili war entsetzt über den Ton der letzten Sendschreiben. Er
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