Im Schatten der Blutrose - Vampir-Roman (German Edition)
ich die anderen doch auch nicht hören, wenn ich hier
oben war und sie sich unten unterhielten. Es hörte sich auch nicht unbedingt
danach an, als ob sie besonders laut miteinander reden würden. Als ich fragend
zu Ayden sah, blickte er drein, als würde er in seiner persönlichen Hölle
schmoren. „Was ist passiert?“, wollte ich nun nicht mehr annähernd so dringend
wie zuvor wissen, weil ich vermutete, dass sein Zustand mit dem meinen verknüpft
zu sein schien.
„Ich ... ich ...“ Es war für mich so verstörend, den
Schwarzhaarigen so um Worte ringen zu sehen.
„Wenn du es mir nicht sagen kannst, dann ist das in
Ordnung. Ich kann auch Kenneth fragen“, versuchte ich, ihm damit zu helfen,
erreichte aber nur das Gegenteil. Er packte mich, als ich mich umdrehen wollte,
sofort an der Schulter und sah mir tief in die Augen. „Nein ... ich muss es dir
sagen ... weil ... wegen mir ...“, Ayden nahm sich zusammen. „Ich habe keinen
anderen Ausweg gesehen. Du lagst im Sterben und ich konnte einfach nicht mehr!
Ich wollte nicht, dass du stirbst! Auch wenn du mich aufgrund meines Egoismus
hassen solltest – ich wollte dich, koste es was es wolle, retten.“ Ich sah ihn
fragend an, da ich noch immer nicht hundertprozentig aus seinen Worten schlau
wurde. „Hast du es denn wirklich noch nicht gemerkt?“ Meine Stirn faltete sich
leicht.
„Was denn?“
„Ach Leyla ...“, seufzte der Mann und strich sich mit
einer Hand über das Gesicht. „Du bist schneller geworden.“
„Ja?“
„Und du siehst schärfer?“
„Ja ...?“
„Kannst besser hören?“
„Ja ...“
„Fühlst dich irgendwie leichter und kräftiger.“ Jetzt
waren es Feststellungen seinerseits, weshalb ich nur langsam nickte. Nun in der
Aufzählung sagten mir diese Eigenschaften etwas. Als die Erkenntnis in meinen
Gedanken Gestalt annahm, weiteten sich meine Augen und mein erschrockener Blick
schoss zu dem jungen Phynix, der mich weiterhin musterte, als wenn er Qualen
leiden würde. Unwillkürlich schossen mir die letzten Bilder und Erlebnisse
durch den Kopf, bevor ich in die Schwärze abgedriftet war. Ayden, wie er sich
in den Arm biss. Wie er mir sein Blut einflößte ... „Ich ... ich bin jetzt ein ...
ein Vampir?“Die Frage verließ zwar meine Lippen, aber unwirklich wirkte sie
deswegen trotzdem noch auf mich.
„Es war die einzige Möglichkeit, dich noch zu retten.
Ich konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. Ich habe nur daran gedacht, dich
zu retten und ... das ist das Ergebnis. Falls du mich dafür hassen solltest,
nur zu, aber lieber ertrage ich das, als die Gewissheit, dich nicht gerettet zu
haben, obwohl ich eine Möglichkeit dazu gehabt hätte.“ In meinen Ohren klang
das mehr wie eine Rechtfertigung für ihn .
„Aber wie? Du hast mich doch überhaupt nicht
gebissen?“, versuchte ich von meinem inneren Chaos abzulenken, indem ich die
oberflächlichste Frage überhaupt stellte.
„Weißt du, nicht alles läuft so ab, wie in den Filmen
und Büchern. Gebissen und ZACK!“, er schnipste. „Vampir.“ Sein düsterer Blick
wanderte über die Wände des Flurs. „In der Realität ist es so, dass der Vampir
demjenigen, den er verwandeln will, sein Blut zu trinken geben muss, damit
sozusagen der ... der Virus des Vampirismus überhaupt in den Körper des anderen
gelangt. Unsere Fangzähne können das nicht“, erklärte Ayden wieder mit Augen auf
mich gerichtet. „In gewisser Weise haben wir es also besser, als die Vampire in
den Filmen und Büchern, die, wenn sie einen zu schnellen Anwuchs ihrer Zahl
verhindern wollten, ihre Opfer gleich töten mussten. Bei uns wäre das egal. Die
Wunden verheilen ungewöhnlich schnell, und wenn man sich geschickt anstellt,
bemerken die Leute noch nicht einmal, überhaupt gebissen worden zu sein, oder
denken, sie hätten nur geträumt. Das ist auch die ... Rechtfertigung, die jene
Vampire immer gerne benutzen, die sich von menschlichem Blut ernähren. 'Es kann
nichts passieren', heißt es dann immer und damit ist die Sache erledigt.“
Ich hob eine Hand und betrachtete sie mir. Sie sah
nicht im Mindesten kräftiger aus als zuvor, und doch konnte ich den Tatendrang,
die neue Energie pulsieren spüren. „Mit ... mit dem Vampirismus gehen die
Fähigkeiten einher?“, stellte ich meine nächste Frage, die Ayden ein wenig zu
verwirren schien.
„Nun, das siehst du doch. Deine Sinne …“
„Das meine ich nicht“, unterbrach ich ihn. „Ich meine
zum Beispiel deine Eissplitter.“ Erkenntnis
Weitere Kostenlose Bücher